Der Verlust der Attraktivität der Bundesrepublik Deutschland für nationale Bekenntnisse der deutschen Minderheit hat weitreichende Folgen. Während sich die Autochthonen gerne zu ihren preußischen, regionalen Wurzeln bekennen, beeindruckt der deutsche Pass heute niemanden mehr. Das Interesse an der heutigen Bundesrepublik schwindet zusehends.

Polen hat Deutschland überholt
In den letzten zehn Jahren ist die Bundesrepublik zunehmend in eine Rezession geraten. Rückständigkeit in der Digitalisierung und überbordende Bürokratie sind zum Ärgernis geworden. Die Eröffnung eines Bankkontos oder eines Internetanschlusses an einem neuen Wohnort kann Monate dauern, ein Kredit ist kaum zu bekommen. Die Pünktlichkeit der Züge ist schlechter als in der Republik Kongo. In Deutschland gibt es immer mehr wirklich arme Menschen.
Auch die öffentliche Sicherheit ist zu einem Problem geworden. In manchen Stadtvierteln großer Metropolen, die von islamischen Banden kontrolliert werden, ist es riskant, abends auf die Straße zu gehen – ein Zustand, der vor zehn oder zwanzig Jahren in Deutschland unvorstellbar gewesen wäre. In Duisburg-Marxloh und anderen Städten der Bundesrepublik prägen Frauen, die ihre Zugehörigkeit zum Islam offen zeigen, das Straßenbild. Zugleich leben viele Nicht-EU-Bürger im Land, die das Sozialsystem ausnutzen – was bei vielen Deutschen verständliche Frustration auslöst und Wähler in die Arme der rechtsextremen AfD treibt.
Für stark katholisch geprägte schlesische Autochthone ist es ohnehin schwierig, sich mit einem solchen Deutschland zu identifizieren. Während man in Deutschland den Eindruck eines allgemeinen Niedergangs gewinnt, erlebt man in Polen genau das Gegenteil: ein Gefühl stetigen Wachstums, Modernisierung und zunehmender Erleichterung in allen Lebensbereichen. Das Wirtschaftswachstum ist von Jahr zu Jahr spürbar. Inzwischen exportiert Deutschland mehr Waren nach Polen als nach China.
Das Produktionswachstum führte zu steigenden Löhnen, die so stark angezogen haben, dass sich die Einkommensniveaus beider Länder weitgehend angeglichen haben. Obwohl die Waren in den Geschäften dieselben sind, bleiben die Lebenshaltungskosten in Polen deutlich niedriger. Arbeiten in Deutschland lohnt sich kaum noch – immer weniger Autochthone fahren dorthin, und es wird zunehmend schwieriger, jemanden aus Schlesien zu überzeugen, in Deutschland zu arbeiten. Selbst Handwerker, die bereit wären, bei einer Wohnungsrenovierung in Berlin zu helfen, sind kaum zu finden.
Zurück zu Hans Lukaschek und Carl Ulitzka
Ein charakteristisches Merkmal der autochthonen Milieus in Schlesien ist die instrumentelle Nutzung nationaler Kategorien für kurzfristige politische Interessen. So war es 1921, als ein großer Teil der autochthonen Bevölkerung sich für Polen entschied. Aus heutiger Sicht ist klar, dass diese Erklärungen eher ein sozialer Protest waren – Ausdruck tiefen Unmuts über die Diskriminierung und Ausbeutung der Autochthonen durch die zugewanderten preußischen Eliten an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert.
So schwer es heute zu glauben ist – der Hass auf diese zugewanderten preußische Eliten war in Oberschlesien enorm. Die Ergebnisse des Plebiszits hatten mit nationalen Überzeugungen wenig zu tun, sie waren vielmehr ein sozialer Protest gegen das Fremde.
Nach dem Plebiszit 1921 änderte der deutsche Staat seine Politik gegenüber den Oberschlesiern grundlegend. In Preußisch-Oberschlesien mit der Hauptstadt Oppeln bemühte man sich, die kulturelle Vielfalt der Region zu fördern und ihre wirtschaftliche Entwicklung zu unterstützen. Die führenden Politiker der Region, Hans Lukaschek und Carl Ulitzka, waren selbst Autochthone und engagierte Katholiken. Der deutsche Staat begann, die Schlesier als gleichwertige Bürger zu behandeln und eröffnete ihnen soziale Aufstiegschancen, die viele nutzten.
Das polnische Staatswesen hingegen war von sozialen Problemen erschüttert und erschien den Autochthonen wenig attraktiv. All das führte dazu, dass auf preußisch-oberschlesischer Seite innerhalb von zehn Jahren das Interesse an Polnischtum fast vollständig verschwand – ein absolutes Phänomen, über das die polnische Geschichtsschreibung kaum spricht. Dieses erstaunliche Verschwinden der polnischen Identität innerhalb eines Jahrzehnts ist ein Paradebeispiel für die Fragilität nationaler Identifikationen unter den Autochthonen – und ein Schlüssel zum Verständnis der heutigen Situation in Oberschlesien.
Nach 1945: Von neuen Herrschern unterdrückt
Nach 1945 begann für die Autochthonen erneut eine schwere Zeit. An die Stelle der preußischen Kolonisatoren traten die Kommunisten. Die neuen Machthaber inspirierten eine beispiellose Diskriminierung der einheimischen Bevölkerung. Autochthone wurden für das Sprechen der deutschen Sprache geschlagen und wegen prowestlicher Sympathien inhaftiert. Schlesier wurden ausgebeutet, vom beruflichen Aufstieg ausgeschlossen und öffentlich verachtet.
Bis in die 1980er Jahre bedeutete ein schlesischer Akzent gesellschaftliche Diskriminierung. Die Kluft zwischen den Autochthonen und den zugewanderten Bevölkerungsschichten war erneut enorm. Entsprechend groß war Frustration und Abneigung gegen die neuen Unterdrücker – ähnlich wie 1921 gegenüber den preußischen Kolonisatoren.
Nach 1989: Eine neue Normalität
Ein radikaler Wandel trat nach 1989 ein. Der polnische Staat begann – ähnlich wie einst Preußen in der Weimarer Republik – eine wohlwollende Politik gegenüber den Autochthonen zu betreiben. Sie erhielten Zugang zu kommunalen und administrativen Positionen, und gleichzeitig vollzog sich eine wirtschaftliche Emanzipation.
Heute sehen sich die Schlesier in keiner Weise als minderwertig gegenüber ihren polnischen Nachbarn – manchmal vielleicht sogar im Gegenteil. Niemand diskriminiert sie mehr oder stellt ihre Rechte infrage. Die meisten fühlen sich in Polen wohler und denken nicht daran, nach Deutschland überzusiedeln. Die Rückkehrwelle aus der Bundesrepublik nach Polen ist der beste Beweis dafür.
Und tatsächlich blieb nur Asche
Die Geschichte hat sich gewissermaßen geschlossen. Es wiederholte sich derselbe Mechanismus wie in der Zwischenkriegszeit: Der Verlust der wirtschaftlichen und kulturellen Attraktivität der Bundesrepublik, verbunden mit der wohlwollenden Politik des polnischen Staates, führte zum Rückgang des deutschen Bewusstseins unter vielen Autochthonen.
Wenn die Organisation der deutschen Minderheit heute noch eine Massenorganisation ist, dann nur deshalb, weil sie von den Regierungen beider Länder unterstützt wird. Die DFK-Kreise haben sich verändert – sie sind zu einer Mischung aus Dorfkulturzentrum, Freiwilliger Feuerwehr und Seniorentreff geworden.
Da sie finanzielle Mittel aus Polen und Deutschland erhalten, bleiben sie formal unter dem Dach der deutschen Minderheit. Sie erfüllen in ihren Gemeinden zweifellos eine wichtige soziale Funktion, indem sie das lokale Leben organisieren – und das spiegelt sich auch in den Ergebnissen der Kommunalwahlen wider. Doch das tatsächliche Interesse an der Kultur und Gegenwart der Bundesrepublik wird immer geringer.
Fortsetzung folgt