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Dt. Minderheit

Der Winter und die folgenden Monate des Jahres 1945 waren für die Autochthonen in Oberschlesien sehr hart. Die Erinnerung an das Leiden unter den Verbrechen der Roten Armee ist immer noch wach. Im August 1945 beschlossen die Allierten in Potsdam, Schlesien dem polnischen Staat zu übergeben. Diese Entscheidung enthielt die stillschweigende Zustimmung zur Evakuierung der deutschen Bevölkerung aus Polen. Diese Aktionen betrafen auch einen Teil der Autochthonen. Einige ihrer Vertreter erlebten das Drama der Übergangslagern, wie Lamsdorf und Zgoda. Die Legende über die Ereignisse, die dort stattfanden, ist unter der Autochthonen noch immer lebendig.

Aus verschiedenen Gründen beschlossen die kommunistischen Behörden jedoch, einige der Autochthonen in Schlesien zu belassen. Menschen, von denen man annahm, dass sie im Laufe der Zeit effizient polonisiert werden. Die Politik, die gegenüber diesen Menschen geführt wurde, war recht restriktiv. Lange war es den Autochthonen verboten, die deutsche Sprache zu verwenden. Sie wurden auch als Menschen zweiter Klasse behandelt. Obwohl man bedenken muss, dass nicht alle von ihnen benachteiligt waren. Es gibt viele Beispiele für die Autochthonen, die die prominentesten Positionen in der staatlichen Hierarchie inne hatten. Lange vor 1989 kamen viele herausragende Wissenschaftler, Manager und Künstler aus diesem Umfeld. Dies war jedoch nicht die Regel.

Die große Welle des Bekennen zur deutsche nationale Identität in Oberschlesien im Jahr 1989 hatte viele Ursachen. Die Unterschiede im Lebensstandard und Einkommen zwischen damaligen Polen und der Bundesrepublik waren unvorstellbar. Kein Wunder, dass sich die breite Masse der Autochthonen eifrig mit diesem reicheren Teil Europas identifizierte. Dank der Gesetzgebung der Bundesrepublik konnte fast jeder von ihnen problemlos einen deutschen Reisepass erhalten, was dieses Gefühl noch verstärkte. Von den verachteten Menschen zweiter Klasse konnten sie nun Teil der scheinbar besseren, westlichen Welt werden. Das Recht auf die deutsche Staatsbürgerschaft brachte auch das Recht mit sich, im Ausland zu arbeiten. Die polnischen Nachbarn hatten in jenen Jahren keine solchen Möglichkeiten. Diese Identifikation mit dem Deutschtum ermöglichte es, die bis dahin bestehenden sozialen Verhältnisse auf den Kopf zu stellen. Nun begannen die Autochthonen, auf ihre polnischen Nachbarn herabzublicken. Dieselben, die einige Monate zuvor die Autochthonen mit Überlegenheit und oft sogar mit Verachtung behandelten. Damals wusste niemand wirklich etwas über diesen Mechanismus. Sogar die Menschen, von denen dies erwartet werden konnte. Das Deutschtum wurde plötzlich zu einem Instrument der sozialen Emanzipation und wurde deshalb in Oberschlesien in nie gekannten Dimensionen idealisiert.

In den ersten Jahren des Bestehens der organisierten deutschen Minderheit (und TSKN) versuchte sie vor allem, das Recht auf den Gebrauch der deutschen Sprache im öffentlichen Raum und in Schulen wiederzuerlangen. Sie hat sich erfolgreich um die Möglichkeit öffentlicher Aufführungen in deutscher Sprache beworben. Es besteht auch kein Zweifel daran, dass die Tränen in den ersten deutschsprachigen Messen authentisch waren. Ebenso wie die große Emotion bei öffentlichen deutschsprachigen Veranstaltungen. Eine der ersten so großen Manifestationen war die Begegnung mit dem Sohn des letzten österreichisch-ungarischen Kaisers, Otto von Habsburg, in der Ruine von Schloss Lubowitz im Juli 1990.

Fragment des Dokumentarfilms "Die Unbequmen", Regie: Sebastian Fikus

Enttäuschungen, auch bei persönlichen Kontakten, zeigten sich sehr schnell. Es hat sich eine neue, andere Mentalität der jüngeren Generation der Autochthonen in der Volksrepublik Polen herausgebildet. Ihre Vorstellungen von der Welt waren mit den damaligen westlichen Mustern in keiner Weise zu vereinbaren. Die deutsche Regierung leitete die Hilfe für die deutsche Minderheit über eine Reihe von verschiedener Mittlerorganisationen. Die Mitarbeiter dieser Institutionen zeigten den Autochthonen sehr schnell, wer der wirkliche Deutsche und wer ein Mensch der zweiter Klasse war. Zum ersten Mal seit mehreren Jahrzehnten kämpften die Autochthonen wieder mit preußischer Arroganz.

Der größte Vorteil des Rechts auf doppelte Staatsbürgerschaft war die uneingeschränkte Möglichkeit, in Deutschland zu arbeiten. Dank dessen ist der durchschnittliche Lebensstandard der Autochthonen in der Tat mit grosse Geschwindigkeit gestiegen. Aber diese Aufstieg wurde teuer bezahlt. Es schien den Autochthonen, wenn sie mit ihrem roten Pass in der Hand nach Deutschland reisten, dass sie in ihre Traumheimat zurückkehren. In ein Land, in dem alle mit offenen Armen auf die verlorenen schlesischen Seelen warten. Aber sehr schnell haben die Deutschen sie Bescheidenheit gelehrt. In den ersten Jahren nach 1989 wurden die Autochthonen am Rhein in noch nie dagewesener Weise getäuscht, ausgebeutet, missachtet und verachtet. Wie vor 1903 in Oberschlesien wurden sie als Menschen dritter Klasse behandelt. Die Enttäuschung war schrecklich. Daher hielt die Faszination für das Deutschtum unter den Autochthonen nicht lange an. Im Gegenteil, die Abneigung gegen den "Brüder" von jenseits der Oder wuchs immer heftiger.

Dieser sozioökonomische Hintergrund wurde von ideologischen Problemen überlagert, die sich als unüberwindbar erwiesen. Nach 1989 gab es einen Konsens zwischen den polnischen Behörden, der Bundesregiereung und den Vertretern der deutschen Minderheit, dass man sich nicht auf den Dritten Reich berufen wird. Diese Ansicht war ohne zweifel Richtig.

Diese Position erwies sich jedoch als folgenreich. Die Menschen, die sich bewusst an die Zeiten der Weimarer Republik erinnerten, waren schon fast alle Todt. Auf der anderen Seite, gab es viele Autochthonen, die die 1930er Jahre als Zeit ihre glückliche Kindheit in Erinnerung hatten. Nun war es ihnen verboten, sich auf diese Erinnerungen zu berufen. Auch Traditionen, die sie aus ihren Familiengeschichten kannten, waren verboten. Diese erzwungene Lücke im kollektiven Gedächtnis führte zu einem Bruch in der kulturellen Kontinuität. Es funktionierte wie eine isolierende Schicht, die zwischen die Fundamente und den Rest des Gebäudes gesetzt wurde. Die Autochthonen haben ihre Orientierung, mit welchen Traditionen sie sich nun identifizieren sollten, völlig verloren.

Es ist nur bedauerlich, dass man damals sich nicht intensiv auf die Tradition der deutschen Widerstandsbewegung aus der Zeit des Dritten Reiches berufen hatte. Es war die einzige Chance, eine gewisse Kontinuität der deutschen Traditionen und Geschichte zu wahren. Und es war vergeudet.

Die damaligen TSKN-Vertreter gingen in eine völlig andere Richtung, die damals die einfachste und attraktivste zu sein schien. Man versuchte, eine neue Identität zu schaffen, die auf der damaligen westdeutschen Kultur basierte. Obwohl sich schon damals abzeichnete, dass für die tief gläubigen Autochthonen die hedonistische Kultur der modernen Bundesrepublik nur sehr schwer zu akzeptieren wird.

Es gab jedoch viele überzeugende Argumente für den Versuch, die zeitgenössische deutsche Kultur einzupflanzen. Kulturelle Wurzeln waren gemeinsam. Die wichtigste war wohl die Sehnsucht nach Modernisierung, die bei den Autochthonen enorm war. So waren sie bestrebt, die materiellen Errungenschaften der westlichen Zivilisation zu erlangen, die damals als Symbol des sozialen Status galten. Es gab auch einen anderen Faktor. Die Mittlerorganisationen entsandten eifrig verschiedene Kulturinitiativen aus der Bundesrepublik nach Oberschlesien. Obwohl dies die teuerste und am wenigsten wirksame Form der Unterstützung des kulturellen Lebens der deutschen Minderheit war, war es aus der Sicht dieser Organisationen die einfachste. Auf diese Weise wurde die Gelegenheit verpasst, die Grundlagen des eigenen kulturellen Lebens zu schaffen.

Das Jahr 1989 brachte eine weitere wichtige Veränderung. Damals öffneten sich die Tore zum deutschen Satellitenfernsehen für die Autochthonen weit. Binnen nur wenigen Jahren wurde eine runde Antenne auf fast jedem Haus in Oberschlesien aufgehängt. Und das Satellitenprogramm wurde eifrig geguckt. Die Tatsache, dass schon damals viele Autochtonen einen Bruder, Vater oder eine Verlobte in Deutschland hatten, trug dazu bei. Die Autochthonen versuchten natürlich, mehr über dieses Land zu erfahren. Diese Trends wurden durch die fesselnde Unterhaltungsattraktivität der deutschsprachigen Satellitenprogramme noch verstärkt. Diese Medien sind jedoch weit davon entfernt, eine bewusste nationalle Rolle zu erfüllen. Im Gegenteil, sie sind eindeutig anti-national und kosmopolitisch. Paradoxerweise war der intensive Kontakt mit den deutschen Medien der entscheidende Faktor, der den Autochthonen ihre deutschen Nationalgefühle beraubte.

Eine Zeitlang gab es noch eine Gemeinschaft, die sich auf die preußischen Wurzeln berief. Was sie paradoxerweise am stärksten verband, war der gemeinsame Gebrauch der schlesischen Sprache. Damit unterschieden sich die Autochthonen deutlich von ihren polnischen Nachbarn. Aber die auf Deutsch gefeierten Messen wurden bald aufgegeben. Die Sprachkurse glänzten vor Leere und die Kenntnis der deutschen Sprache war kein Objekt des Stolzes mehr.

Aber die von Henrik King und seinem charismatischen Prätorianer Johann Lenort geführte Organisation gab einigen der Autochtonen die Überzeugung, dass sie einer gemeinsamen, höheren Sache dienen. Es war immer noch ein Wert, für den es sich lohnte, seine eigene Zeit und sogar privates Geld zu investieren. Lange Zeit gab es noch diejenigen, die vom eigenen Deutschtum und von der Notwendigkeit der Treue zu den Traditionen ihrer Vorfahren überzeugt waren. In der Organisation selbst waren jedoch bereits viele destruktive Prozesse aufgetreten. Damals erhielt TSKN einen anti-intellektuellen und anti-intellektuellen Charakter, den TSKN erst jetzt zu überwinden versucht.

Nachdem Henryk Krol 2008 TSKN verlassen hatte, bekannte und modernisierte sich das Unternehmen zweifellos, verlor aber auch viel von seiner Spontaneität.

Neben den traditionellen Aufgaben wie der Unterstützung des Erlernens der deutschen Sprache hat sie sich der Herausforderung der Integration lokaler Gemeinschaften gestellt. Auf diese Weise begann sie vielerorts die Aufgaben von Seniorenclubs oder Dorfhausfrauenvereinen zu übernehmen. Manchmal übt sie ähnliche Funktionen aus wie die örtlichen Feuerwehrvereine oder Volkssportvereine. Insbesondere letztere spielt eine größere Rolle in den Aktivitäten von TSKN. Der zweite Trend, der im Umfeld der deutschen Minderheit zu beobachten ist, ist die Entwicklung von Vereinigungen hin zu Kulturagenturen, die mit der Zentrale um ähnliche Projekte konkurrieren.

Ein sehr positiver, neuer Trend lässt sich in den Bemühungen der Organisationen um die Schaffung einer ehrgeizigen Kultur erkennen. Organisation von Konzerten oder Treffen mit Buchautoren.

Dem Problem dieses Umfelds scheint jedoch eine ernsthaftere Diskussion über die Identität des Umfelds der deutschen Minderheit zu fehlen. Man kann den Eindruck gewinnen, dass ihre Eliten bemüht sind, ideologische, fast fundamentalistische Annahmen mit der Realität in Einklang zu bringen, und nicht umgekehrt. Inzwischen scheint gerade der Versuch, die Komponenten dieser Identität, das Bestimmende und die Sehnsucht, die sie wirklich schaffen, zu artikulieren, die Schlüsselaufgabe für die kommenden Jahre zu sein.

Prof. UŚ Dr. habil Sebastian Fikus

Joseph-Eichendorff-Konversatorium

Oberschlesien Heute

Ein Film aus dem Jahr 1989

"Oberschlesien Heute", ein Film über die Untergrundaktivitäten der deutschen Minderheit vor 1990. Es zeigt die Geschichte des verstorbenen Gründers der Organisation, Johann Kroll. Der Film erinnert an seine Initiative, die Unterschriften unter dem Bekenntnis zur Deutschtum zu sammeln.

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Oberschlesien Aktuell

Die erste deutschsprachige Sendung im polnischen öffentlichen Fernsehen

"Oberschlesien Aktuell", die erste deutschsprachige Sendung im polnischen öffentlichen TVP, wurde im August 1992 ausgestrahlt. An dem Programm nahmen nicht nur die damalige Ministerpräsidentin Hanna Suchocka, aber auch Jan Krzysztof Bielecki und der damalige Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland, Klaus Kinkel...

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Aus dem Leben eines Taugenichts

Musical-Adaption der Eichendorffs Novelle

Auszüge aus der Inszenierung des Musicals "Aus dem Leben eines Taugenichts" nach der Novelle von Eichendorff. Sie wurde auf der Bühne des Jan-Kochanowski-Theaters in Oppeln präsentiert. Die Uraufführung fand im April 1992 statt. Regie und Inszenierung: Sebastian Fikus (Oppeln)...

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