Vertriebene Kleider

In Erwartung auf die Rückkehr von Jupen und Spindern

Noch vor 40 Jahren wurden die Kirchen in den oberschlesischen Dörfern von einheimischen Frauen dominiert, die Jupen und Spinder trugen. Die neuen, zugewanderten Nachbarn verspotteten sie allgemein. Die traditionellen Trachten waren Inspiration für die Demütigung ihrer Trägerinnen. Trotzdem dominierten die Mazelonki bis in die 1970er Jahre das Bild der oberschlesischen Landschaft.

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Fot. Sebastian Fikus

Vielleicht ist Róża Zgorzelska aus Friedersdorf die letzte Schlesierin, die konsequent und mit Stolz die originalen Mazelonki trägt, die sie von ihren Vorfahren geerbt hat. Auf der Straße zeigt sie ihre schönen, sorgfältig bestickten Röcke, Schürzen und Tücher.

Sie war auch eine der Initiatorinnen der Ausstellung über die Trachten in Museum in Leobschütz. Die Ausstellung wurde gemeinsam mit Thomas Czorny aus Tłustomosty und Sylwester Fulneczek gestaltet. Die Exponate stammen hauptsächlich aus den Sammlungen dieser drei Personen.

Zu sehen sind verschiedene Varianten von Röcken, die im Schlesien des 19. Jahrhunderts bunt und fröhlich waren. Dies sollte sich während des Ersten Weltkriegs ändern, als fast in jedem Haus Frauen Trauer um ihren Bruder, Ehemann oder Sohn trugen, die an den Fronten des Ersten Weltkriegs ihr Leben verloren hatten. Die schlesischen Trachten wurden damals zu Trauerkleidung. Später, während des Zweiten Weltkriegs, war die Zahl der getöteten Familienmitglieder ebenfalls erschreckend hoch. Schwarze Mazelonki verbreiteten sich so sehr, dass Frauen sie sogar zu Hochzeiten trugen.

Ein fester Bestandteil der traditionellen schlesischen Tracht waren Spindery, kurze, oft sehr verzierte Jacken. Der Stoff, aus dem diese Elemente hergestellt wurden, und die kunstvolle Stickerei zeugten vom Wohlstand ihrer Besitzerinnen.  Ergänzt wurden diese Trachten durch unterschiedlich geschnittene Hauben und Tücher. Einige davon waren ebenfalls bestickt und mit langen Fransen verziert. Anstelle von Wintermänteln wickelten sich die Frauen damals dicke Tücher um, die an Decken erinnerten.

Auf der Ausstellung in Leobschütz wurde auch traditionelle Damenunterwäsche gezeigt, die sich stark von der heutigen unterscheidet. Sie zeugt davon, wie anders die Schönheitsideale für Frauen vor hundert Jahren waren. Heute bewundern wir sportliche und fast magersüchtige Frauen.  Im 19. Jahrhundert musste eine einheimische Frau dick sein, um als schön zu gelten. Diejenigen, denen dies nicht vergönnt war, halfen sich mit verschiedenen Kissen, die sie unter ihre Röcke steckten, um ihre üppigen Formen zu betonen.

Untrennbare Bestandteile der schlesischen Tracht waren Handtaschen, Schuhe und manchmal sehr wertvolle Broschen, Anhänger und Ringe.

Die materiellen Artefakte werden in der Ausstellung durch eine Vielzahl von Fotografien aus der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ergänzt.

Bei der Eröffnung der Ausstellung wies Róża Zgorzelska darauf hin, dass die ausgestellten Objekte für sie keineswegs anonym sind. Sie stehen in Verbindung mit konkreten Personen aus ihrem Umfeld oder ihrer Familie. Die meisten Personen, die die Elemente ihrer Sammlung täglich trugen, kannte sie persönlich. Einige der Besitzerinnen dieser Kleidungsstücke kannte sie auch aus Familiengeschichten. Sie sprach über ihre Leidenschaft, vergessene materielle Artefakte zu retten, die von ihren Großmüttern und Tanten übrig geblieben waren.

Róża Zgorzelska erinnert sich noch gut an das Drama der Frauen, über die man sich lustig machte und verspottete, weil sie Mazelonki trugen. Die schlesischen Trachten unterschieden sich nämlich völlig von denen, die die Zuwanderer aus ihren Heimatregionen kannten. Sie waren unter dem Einfluss preußischer Traditionen entstanden.  Bei einigen neuen Nachbarn lösten sie Irritationen aus. Das Tragen von Mazelonki wurde manchmal sogar als Ausdruck von Deutschtum angesehen. Mazelonki waren jedenfalls ein offensichtlicher visueller Widerspruch zur Theorie einer gemeinsamen kulturellen Tradition zwischen Einheimischen und Zugezogenen.

Gleichzeitig befanden sich einige der autochthonen Frauen in einem großen Zwiespalt. Als sie dem Druck ihrer neuen Umgebung nachgaben und begannen, Elemente der modernen Kleidung zu tragen, erregten sie den Unmut ihrer Familie und autochthonen Freunde. Diese betrachteten die Veränderung der Kleidung als Verrat an den eigenen Traditionen.

Aber sie selbst konnten sich in diesen neuen Modetrends nicht wiederfinden und sahen seltsam aus. Deshalb ist die Ausstellung in Leobschütz auch eine Art Hommage an all jene Frauen, die für das Tragen von Mazelonki gelitten haben.

Heute sieht Róża Zgorzelska keine besonderen Chancen für eine Wiederbelebung der Tradition. Junge Frauen interessieren sich trotz der bezaubernden Schönheit der traditionellen schlesischen Trachten überhaupt nicht dafür.

 Eine gewisse Chance für ihre Wiederbelebung bietet der neue Brauch, Oktoberfeste in Oberschlesien zu feiern. Dabei hat sich die ziemlich groteske Sitte etabliert, sich in bayerische Trachten zu verkleiden. Dabei wäre es doch logischer, wenn die einheimischen Frauen bei solchen Veranstaltungen regionale Trachten tragen würden.

Eine Chance für Jupes und Spinder ist auch das große Interesse an ihnen. Die Ausstellung in Leobschütz hat dies bewiesen. Die Zahl der Besucher, die zur Vernissage kamen, übertraf alle Erwartungen. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die Ausstellung ein wichtiger Impuls für die Erhaltung dieser Modetraditionen geworden ist.

Die Ausstellung in Leobschütz im Rathaus im Bezirksmuseum ist bis Ende September 2025 geöffnet. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall.

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Sebastian Fikus