Verräter der Manipulierten

Die Tragödie der Kinder begann nach dem Krieg

Vor 81 Jahren wurde ein Attentat auf Adolf Hitler versucht. Heute wird dieses Ereignis feierlich begangen, und die Kinder der ermordeten Helden der Widerstandsbewegung gegen Hitler werden von den Staatsoberhäuptern empfangen. Nach 1945 wurden dieselben Menschen jedoch als Kinder verspottet, beschimpft und als Nachkommen von Verrätern misshandelt.

Krzyżowa, Kreisau
Fot. Sebastian Fikus

Als Widerstandskämpfer in Polen und anderen besetzten Ländern noch mit der Bewunderung und dem Respekt ihrer Mitbürger rechnen konnten, war die Lage der Dissidenten in Deutschland völlig anders.

Als es am 20. Juli 1944 zu einem gescheiterten Attentat auf Hitler kam, brachen einfache Frauen auf den Straßen Berlins in Tränen aus und schlugen sich vor Verzweiflung die Hände, weil sie unter dem deutschen Volk Hyänen gefunden hatten, die die Hand gegen ihren geliebten Führer erhoben hatten. Auf den Plätzen der Städte und Dörfer versammelten sich Menschenmengen, die sich in spontane Demonstrationen verwandelten, um ihre Dankbarkeit für die Rettung ihres Nationalhelden und ihren Hass auf die aristokratischen Verräter ihres Volkes zum Ausdruck zu bringen. Die Beschimpfungen gegen die Attentäter nahmen kein Ende. Diese Demonstrationen waren authentisch und mussten von den nationalsozialistischen Behörden nicht organisiert werden. Wie es gelang, die eigene Bevölkerung so zu manipulieren, ist eine ganz andere Frage. Die Folgen dieser Propaganda blieben den Deutschen über Jahrzehnte hinweg im Gedächtnis. Lange Zeit glaubte man nicht an Berichte über die Verbrechen der Nazis und hielt sie für Lügen der Alliierten, die darauf abzielten, das deutsche Volk zu demütigen.

Die wenigen ehemaligen Gegner des Hitler-Regimes, die das Kriegsende überlebt hatten, gerieten dadurch in eine sehr schwierige Lage. Ihre Urteile aus der Zeit des Dritten Reiches wurden in Strafurteile umgewandelt, und sie wurden in der Folge von verschiedenen Behörden diskriminiert. Da die deutsche Nachkriegsgesetzgebung eine kollektive Familienhaftung vorsah, hatten die Ehefrauen der ermordeten Oppositionellen keinen Anspruch auf Rentenleistungen, und ihre Kinder wurden von allen Stipendienprogrammen ausgeschlossen. Unterdessen galten die Nazi-Verbrecher, die den Mord an Tausenden von Menschen auf dem Gewissen hatten, als angesehene Bürger und erhielten königliche Sozialleistungen. Besonders üppige Rentenbezüge erhielten ehemalige SS-Offiziere.

Kein Wunder also, dass die Kinder von Dissidenten des Dritten Reiches in den ersten Nachkriegsjahren versuchten, die anti-nazistischen Aktivitäten ihrer Väter zu verheimlichen. Graf Caspar von Moltke erzählt, dass seine Mutter die ständigen Beleidigungen nicht ertragen konnte und mit ihren Kindern in die Republik Südafrika zog. Caspar besuchte in Südafrika eine deutschsprachige Schule und wurde selbst dort von seinen Mitschülern als Sohn eines Verräters beschimpft.

Über die oppositionellen Aktivitäten der ermordeten Väter wurde in den Familien nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen, und man bemühte sich, diese Themen nicht außerhalb des engsten Kreises anzusprechen. Seit den ersten Nachkriegsmonaten suchten die Familien ehemaliger Dissidenten Kontakt zueinander und unterstützten sich gegenseitig. So entstand ein Umfeld, das sich als besonders stabil erwies.

Diese Situation begann sich erst Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre zu ändern, als die deutsche Gesellschaft allmählich das Ausmaß der von Adolf Hitler begangenen Verbrechen und die moralische Bedeutung der Widerstandsbewegung gegen Hitler erkannte.

Besonders aktiv bei der Pflege des Gedenkens an die deutschen Dissidenten war die Familie von Moltke, die wissenschaftliche Forschungen über die deutsche Widerstandsbewegung unterstützte. Kreisau selbst war für sie ebenfalls ein wichtiger Ort.

Caspar von Moltke und seine Mutter waren nach dem Krieg bereits 1976 zum ersten Mal in Kreisau. Freya verlor nie den Glauben daran, dass Krzyżowa ein Ort der deutsch-polnischen Versöhnung werden könnte. Als deutsche Diplomaten 1989 über einen Ort für eine deutsch-polnische Versöhnungsmesse nachdachten, setzte sich die Familie von Moltke aktiv dafür ein, dass diese in Kreisau stattfinden sollte. Bald darauf wurde die Entscheidung getroffen, den Schlosskomplex wieder aufzubauen.

Die Familien ehemaliger Dissidenten gründeten 2004 die private Freya-von-Moltke-Stiftung, die sich für die Pflege der Traditionen der deutschen Widerstandsbewegung auch in Schlesien einsetzt.

Heute ist Kreisau ein wunderschönes, lebendiges Denkmal der antinazistischen Widerstandsbewegung, an dem sich Jugendliche aus aller Welt treffen. Es ist auch eine erstaunliche Insel in Schlesien, auf der Deutsch die Alltagssprache ist. Kreisau ist zweifellos einen Besuch wert, um über die Menschen nachzudenken, die sich hier in Kreisau im Kampf gegen das Hitler-Regime organisiert haben.

Denn dieser Kampf war weder einfach noch selbstverständlich. Als Oberst Graf Claus von Stauffenberg am frühen Morgen des 20. Juli 1944 in die Ju 52 stieg, die zum Hauptquartier Hitlers flog, wusste er genau, dass seine Chancen, den Putschversuch zu überleben, sehr gering waren. Die anderen Verschwörer, darunter viele Schlesier, waren sich dessen ebenfalls bewusst. Sie hatten nicht einmal Fluchtwege ins Ausland oder konspirative Verstecke vorbereitet. Sie wussten, dass ihnen der Tod drohte, weil sie gegen die Verbrechen des Regimes und das unmoralische System protestierten. Sie wussten auch, dass sie von der Mehrheit gehasst wurden. Ihre Ehre und ihre moralische Haltung erwiesen sich jedoch stärker. Und das ist heute, 80 Jahre später, die wichtigste Botschaft des Attentats auf Hitler vom 20. Juli 1944.

Und Kreisau wurde zum Symbol dafür, dass es sich lohnt, an seinen Überzeugungen und Ansichten festzuhalten, auch wenn man damit gegen die gesamte Umgebung steht.

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Sebastian Fikus