Der VdG will sich auf den Aufbau eines neuen Internetmediums konzentrieren. Deshalb hat er beschlossen, sich aus der eigenständigen Produktion der Fernsehsendung „Schlesien Journal” für TVP zurückzuziehen. Bei dieser Gelegenheit sollte man an die stürmische, von Höhen und Tiefen geprägte Geschichte dieser kulturellen Initiative mit ihrer 33-jährigen Tradition erinnern.
Die Aufrechterhaltung eines unabhängigen Fernsehprogramms über diese langen 33 Jahre war keine einfache Aufgabe. Die Präsenz im TVP-Programm wurde mit großer Mühe erkämpft. Aber das „Schlesien Journal” war auch das einzige Kulturprojekt in der Geschichte der deutschen Minderheit, das internationale Preise in Wettbewerben erhielt, die nicht für nationale Minderheiten ausgeschrieben waren.
Gründer und Schöpfer des „Schlesien Journal” war Sebastian Fikus. Nach seinem Studium der Geisteswissenschaften an der Schlesischen Universität begann er in der Redaktion für Kunst und Kulturjournalismus des TVP Kattowitz zu arbeiten, um nach zwei Jahren ein Studium an der Fakultät für Regie der Folkwang Universität der Künste in Essen (damals noch Folkwang Hochschule für Musik, Theater und Tanz) .
Bereits 1987, also drei Jahre vor der offiziellen Registrierung der deutschen Minderheitenorganisation, knüpfte Sebastian Fikus Kontakte zu Blasius Handschuch aus Binkowitz. Im Rahmen seines Regiestudiums drehte er in dieser Zeit drei Fernsehfilme über die Anfänge der deutschen Minderheitenorganisation. Die Dokumentation dieser Filme und spätere Aufnahmen waren der Beginn einer langen und engen Freundschaft mit Johann Kroll. Und es war Johann Kroll, der den Vorschlag machte, die Produktion von Filmen über die deutsche Minderheit zu institutionalisieren und ihnen eine feste Sendezeit im polnischen Fernsehen TVP zu verschaffen.
Dank der Bemühungen seines Sohnes, dem Abgeordneten Henryk Kroll, kam es schließlich im August 1992 zur Ausstrahlung der ersten Sendung für die deutsche Minderheit im polnischen Fernsehen TVP. Sie trug damals den Titel „Oberschlesien Aktuell”. Es war gleichzeitig die erste Sendung für eine nationale Minderheit im polnischen Fernsehen TVP überhaupt.
Mit der Zeit zeigten auch andere nationale Minderheiten in Polen Interesse an unabhängigen Fernsehproduktionen in ihren Sprachen. Auf Initiative von Sebastian Fikus kam es Mitte der 1990er Jahre in Groß Stein zu einem Treffen von Vertretern dieser Gemeinschaften, die an der Produktion unabhängiger Fernsehsendungen interessiert waren. Bei diesem Treffen wurde der Rat für elektronische Medien nationaler und ethnischer Minderheiten gegründet. Sein Vorsitzender wurde Piotr Tyma, der spätere langjährige Vorsitzende des Verbandes der Ukrainer in Polen.
Ziel des Rates war es, finanzielle und organisatorische Grundlagen zu schaffen, die es jeder Minderheit ermöglichen würden, ihre eigenen Fernsehprogramme zu produzieren. Außerdem war die gemeinsame Produktion einer Sendung für nationale Minderheiten in Polen geplant.
Die nationalen Minderheitenorganisationen unternahmen aus eigener Initiative Versuche, eigene unabhängige Programme zu schaffen. Diese Aufgabe überstieg jedoch sowohl ihre logistischen als auch ihre personellen Möglichkeiten. Ausschlaggebend war jedoch der Widerstand seitens des Nationalen Rundfunk- und Fernsehrats und des TVP in Warschau. Trotz Dutzender Gespräche und Schreiben gab es keine Zustimmung zu weiteren unabhängigen Fernsehproduktionen außer dem bereits bestehenden „Schlesien Journal”. Daher wurden schließlich alle diese Programme von TVP übernommen und kontrolliert.
Das Einzige, was der Rat für elektronische Medien erreichen konnte, war eine genauere Definition dessen, was ein Programm für nationale Minderheiten ist. Es wurde damals festgelegt, dass diese Programme von Vertretern der Minderheiten und in Absprache mit ihren Organisationen produziert werden müssen. Diese Regeln gelten übrigens bis heute.
Die einzige Organisation, die ihre redaktionelle Unabhängigkeit verteidigen konnte, war die deutsche Minderheit. Dies war auch dank der finanziellen Unterstützung des Instituts für Auslandsbeziehungen (IfA) in Stuttgart möglich. Durch die Vermittlung des IfA erhielt die Redaktion auch fachliche Unterstützung von zwei hervorragenden deutschen Journalisten. Es handelte sich um den Gründer des TV Magazins „Kontraste”, Peter Schulze (SFB) aus Berlin, und später um Thomas Stephan (SWR) aus Stuttgart. Erwähnenswert ist auch die fachliche Unterstützung des „Schlesien Journal” durch die damalige Programmdirektorin des Westdeutschen Rundfunks (WDR 5), Gudrun Schmidt.
Die Anfänge des „Schlesien Journal” waren jedoch schwierig, da TVP von Anfang an konsequent versuchte, die Ausweitung eines unabhängigen, eigenständigen Programms für die deutsche Minderheit zu verhindern. 1993 wurde die Ausstrahlung von nur drei Sendungen genehmigt. 1994 waren es etwa zehn. Erst ab 1995 erschien das „Schlesien Journal” alle zwei Wochen. Das war eine fatale Situation, da ein so unregelmäßiger Sendetakt den Aufbau eines festen Publikums sehr erschwerte. In den folgenden Jahren wurde das „Schlesien Journal” auf unterschiedlichste Weise von den TVP-Zensurkommissionen schikaniert. Aber es ist auch wahr, dass die Sendung dafür zu einer hervorragenden Sendezeit vor der Hauptnachrichtensendung „Aktualności” in Kattowitz ausgestrahlt wurde.
1996 erhielt Sebastian Fikus den deutsch-polnischen Journalistenpreis für eine zweisprachige Sendereihe im TVP. Im folgenden Jahr führte das TVP-Programmforschungszentrum eine detaillierte Untersuchung der Sendungen „Schlesien Journal” und kam schließlich zu dem Schluss, dass das Niveau dieser Sendungen über den damaligen Standards des polnischen Fernsehens lag. Im Jahr 1996 wurde auch das Produktionsteam „Pro Futura” gegründet, das die Produktion der Sendung „Schlesien Journal” übernahm. Sein erster Vorsitzender wurde Sebastian Fikus.
Das sehr emotionale Engagement der Redaktion des „Schlesien Journal” im Wahlkampf zum Oppelner Landtag (Sejmik) 1998 hatte dramatische Folgen. Die Redaktion wurde in interne Streitigkeiten und öffentliche Vorwürfe wegen journalistischer Unredlichkeit verwickelt. Mit der Zeit erwiesen sich alle diese Vorwürfe als Verleumdungen, doch die negativen Folgen dieser Ereignisse blieben dauerhaft. Infolge dieser Turbulenzen wurde Johann Lehnort Vorsitzender von „Pro Futura” und Sebastian Fikus sein Stellvertreter.
TVP Kattowitz nutzte die Situation und entfernte entgegen dem eindeutigen Willen des damaligen VdG das „Schlesien Journal” aus dem Programm. An seiner Stelle begann der Sender mit der Produktion einer eigenen, unabhängigen Sendung namens „Schlesische Wochenschau”.
Zwei Jahre lang dauerten die Streitigkeiten zwischen dem damaligen VdG und dem Nationalen Rundfunkrat in Warschau über die Wiedereinführung des „Schlesien Journal” im Programm von TVP Kattowitz. Schließlich gelang es, die Sendezeit zwischen beiden Sendungen aufzuteilen, und das „Schlesien Journal” erschien wieder alle zwei Wochen. Beide Sendungen der deutschen Minderheit wurden abwechselnd ausgestrahlt.
Da die Produktion der Sendung für so lange Zeit unterbrochen war, stellte die IfA die Mittel für die Produktion des „Schlesien Journal” für andere Projekte bereit. Später wollte sie nicht, darauf zu verzichten. Dies wäre jedoch notwendig gewesen, da Fernsehproduktionen ein kostspieliges Unternehmen sind und waren.
Damals begann wohl die dramatischste Phase in der Geschichte des „Schlesien Journal”. 19 lange Monate lang wurde die Sendung ohne jegliche finanzielle Mittel redigiert und produziert. Das bedeutet, dass niemand Journalistenhonorare erhielt und alle Kameraleute, Tontechniker und Cutter in dieser Sendung unentgeltlich arbeiteten (!). Der Kameramann Krzysztof Miller aus Tarnowitz stellte in diesen 19 Monaten seine Kamera und seinen Schnitt ebenfalls kostenlos zur Verfügung.
Schlimmer noch, ein Teil der Produktionskosten wie Benzin oder Telefone mussten aus privaten Mitteln bezahlt werden. Die Aufrechterhaltung der Sendung war nur dank der Zusammenarbeit mit dem Westdeutschen Rundfunk in Köln möglich, der von den Journalisten von „Pro Futura” Radiomaterial kaufte. Sie waren damals auch Co-Autoren von zwei einstündigen WDR-Sendungen, die in Schlesien produziert und live vom WDR Köln ausgestrahlt wurden. Man könnte sagen, dass „Schlesien Journal” nur dank der Hilfe von Gudrun Schmidt vom Kölner WDR 5 während dieser 19 Monate bestehen konnte.
Der Durchbruch gelang mit dem zweiten Deutsch-Polnischen Journalistenpreis, der diesmal an Alicja Schattan für das Jugendmagazin „Schlesien Journal Jung” verliehen wurde. Daraufhin beschloss die IfA, die Finanzierung des „Schlesien Journal” wieder aufzunehmen.
Ein weiterer Durchbruch gelang 2004, als Krzysztof Wesołowski Direktor des TVP-Senders in Oppeln wurde. Er stellte zuerst die Produktion der Konkurrenzsendung „Schlesisches Wochenschau” ein.
So erschien das 15-minütige „Schlesien Journal” wieder wöchentlich. Zu dieser Zeit übernahmen die TVP-Sender Breslau und Kattowitz die Ausstrahlung des „Schlesien Journal”. Damit erreichte das „Schlesien Journal” ganz Schlesien.
Im Fernsehsender TVP in Oppeln stellte Direktor Wesołowski der VdG zusätzlich eine wöchentliche Sendezeit von 30 Minuten zur Verfügung.
Damals entstanden die neuen Programmformate „Schlesien Journal Kultur”, „Schlesien Journal Europa” und „Schlesien Journal Dialog”. Die Produktion der zusätzlichen 30 Minuten war eine enorme logistische und personelle Herausforderung. Denn das bedeutete von einem Tag auf den anderen eine Versechsfachung (!) der monatlichen Fernsehproduktion. Hinzu kamen finanzielle Probleme. Die IfA war zwar bereit, die Zuschüsse zu erhöhen, und das „Schlesien Journal” erhielt europäische Gelder für Fernsehproduktionen. Dennoch reichten die Mittel nicht aus. Die Sendungen wurden dank Hunderten von nie bezahlten Stunden redaktioneller Arbeit realisiert. Es war die Blütezeit des „Schlesien Journal”.
Sebastian Fikus wollte weiter expandieren. Der VdG wandte sich mit einem Rundschreiben an Dutzende kleinere und größere Organisationen der deutschen Minderheit in ganz Polen, die den Nationalen Rundfunkrat und die TVP-Direktion in Warschau mit Petitionen überschütteten, um die Ausstrahlung des Minderheitenprogramms in den traditionell von ihnen bewohnten Gebieten zu ermöglichen. Das neue Format sollte den Namen „Die Brücke” tragen. Die Leitung des damaligen TVP3 in Warschau war von diesem Konzept überzeugt und sogar bereit, es zu finanzieren.
Die Aufstockung der Produktion des „Schlesien Journal” stellte die Redaktion vor weitere enorme Herausforderungen. Erneut war ein Einsatz an ehrenamtlicher Arbeit erforderlich. In der Zwischenzeit waren die Arbeiten zur Gründung eines unabhängigen Radiosenders „Schlesische Rundfunk“, zu dessen Gründung die Nationale Rundfunk- und Fernsehbehörde (Krajowa Rada Radiofonii i Telewizji) ihre Zustimmung gegeben hatte, bereits weit fortgeschritten.
All diese Pläne bedeuteten für die Redaktion und das Produktionsteam viel mehr Arbeit für weniger Geld. Gegen diese „Ausbeutung” formierten sich innerhalb des Teams „Pro Futura“ Proteste. Hinzu kamen Streitigkeiten innerhalb des Vorstands von „Pro Futura”, als der damalige Vorsitzende Johann Lehnort beschloss, seine Enkelkinder in Führungspositionen einzustellen. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Sebastian Fikus entschied sich, die Redaktion des „Schlesien Journal” zu verlassen und sich der wissenschaftlichen Arbeit zu widmen.
Der Weggang von Sebastian Fikus führte dazu, dass „Pro Futura” die meisten Projekte sofort aufgab. Die Gründung des Radiosenders „Schlesische Rundfunk” in Oppeln sowie eines landesweiten Fernsehprogramms wurden aufgegeben. Sogar die Ausstrahlung des „Schlesien Journal” im TVP Breslau wurde eingestellt. Auf die zusätzliche 30-minütige Sendezeit bei TVP Oppeln wurde verzichtet, und sogar das bisherige 15-minütige „Schlesien Journal” wurde auf 10 Minuten gekürzt, sodass die dafür vorgesehenen Mittel nun für andere Projekte verwendet werden konnten. Dies löste zunächst Begeisterung im Team aus, da es zu einer sofortigen Erhöhung der Honorare für alle redaktionelle und produktionstechnische Tätigkeiten führte.
Nach einiger Zeit beschlossen die neuen Verantwortlichen der VdG, die unabhängige „Pro Futura” aufzulösen und in eine Pressestelle in der Zentrale der Organisation umzuwandeln.
In dieser verstümmelten Form bestand das Programm bis zum Herbst 2024, als es zu einem weiteren Konflikt kam, diesmal zwischen dem Team des „Schlesien Journal” und der VdG. In der Folge verließen fast alle bisherigen Mitarbeiter die Redaktion. Der VdG stellte nun neue Autoren und Kameraleute ein, deren redaktionelle Kompetenzen jedoch bei weitem nicht den professionellen Anforderungen entsprachen.
Die Sendung „Schlesien Journal”, die einst internationale Journalistenpreise gewonnen hatte, wurde auf das Niveau eines Schulfilmclubs reduziert. Möglicherweise waren es diese deutlich unterdurchschnittlichen handwerklichen Standards, die längst nicht mehr den professionellen Anforderungen entsprachen, die zu Gesprächen über eine erneute Übernahme des „Schlesien Journal” durch TVP führten.
Als Vorwand für diesen Schritt dient die Rückkehr zu der von der VdG vor 20 Jahren so enthusiastisch verworfene Idee, das „Schlesien Journal” von anderen TVP-Sendern in Polen ausstrahlen zu lassen.
Der Verlust des „Schlesien Journal” für die deutschen Minderheitenorganisationen ist ein doppelter Verlust. Die ursprüngliche Formel des „Schlesien Journal” sah nämlich vor, dass Ereignisse in der Welt aus der Perspektive der deutschen Minderheit in Polen dargestellt werden sollten. Das Programmprofil des „Schlesien Journal” sah keineswegs eine einfache Berichterstattung über Ereignisse in der Minderheitengemeinschaft vor, sondern die Interpretation verschiedener Phänomene und deren Einordnung in einen bestimmten Kontext, um so zu einem besseren Verständnis der Probleme dieser Gemeinschaft beizutragen. Das „Schlesien Journal” hatte den Anspruch, ein Bild dieser Gemeinschaft als offen, gebildet und mit breiten kulturellen Ambitionen zu zeichnen. Auch wenn dies nicht immer ganz der Wahrheit entsprach. Diese Möglichkeit hat sich die VdG selbst genommen.
Aber es gibt noch einen weiteren Aspekt dieser Angelegenheit. Die deutsche Minderheit hatte und hat ein Imageproblem. Sie wird immer noch allgemein mit einem Milieu ungebildeter Menschen mit begrenzten kulturellen Bedürfnissen in Verbindung gebracht. Das „Schlesien Journal” war viele Jahre lang ein deutlicher Gegenbeweis für dieses Klischee. Die Produktion einer regelmäßigen Fernsehsendung auf europäischem Niveau ist nämlich logistisch und handwerklich ein schwieriges Unterfangen, das von den Machern hohe Kompetenz und Erfahrung verlangt. Eine Fernsehsendung ist nicht nur eine sachliche Mitteilung, sondern auch eine kulturelle Initiative. Es ist ein künstlerisches Artefakt in einem Bereich, in dem ein gesellschaftlicher Bedarf besteht, und eine Tätigkeit in einem Bereich, der für alle besonders sichtbar ist. Keine andere kulturelle Initiative dieses Milieus wurde mit internationalen Preisen in Wettbewerben ausgezeichnet, die nicht für nationale Minderheiten bestimmt waren. Und dieses für das Image so wichtige Projekt hat sich die VdG selbst genommen.
Aber die VdG hat auch ernstzunehmende Argumente auf ihrer Seite. Das Fernsehen ist nicht nur ein sehr teures Medium, sondern auch zunehmend anachronistisch und richtet sich von Natur aus an eine ältere Zielgruppe. Vor allem junge Menschen schauen gar kein Fernsehen mehr und konzentrieren sich auf den Konsum von Inhalten im Internet, vor allem in den sozialen Medien. Kein Wunder also, dass VdG beschlossen hat, sich auf Aktivitäten im Internet zu konzentrieren. Aber aufgrund der enormen Konkurrenz steht auch dieses Medium vor großen Herausforderungen. Inwieweit es VdG gelingen wird, mit diesem neuen Internetmedium an den Erfolg des „Schlesien Journal” anzuknüpfen, bleibt offen.