Der deutsch-polnische Vertrag von 1991 garantiert sowohl der deutschen Minderheit in Polen als auch der polnischen Gemeinschaft in Deutschland eine ganze Reihe von Rechten. In vielen Punkten werden diese Rechte nicht umgesetzt, was bei beiden Gemeinschaften zu Frustrationen führt. Der VdG fordert zu Recht Gespräche zu diesem Thema am Runden Tisch.
Die Geschichte des Runden Tisches geht auf das Jahr 2011 zurück, als Vertreter der deutschen Minderheit und der Polonia gemeinsam mit dem damaligen Beauftragten der Bundesregierung für die deutschen Minderheiten und Vertriebenen, Dr. Christoph Bergner, und dem Staatssekretär im Ministerium für Inneres und Verwaltung der Republik Polen, Tomasz Siemoniak, trafen. Ziel des Treffens war es, den damaligen Stand der Umsetzung der Bestimmungen des Vertrags zu überprüfen und die Maßnahmen zu seiner Umsetzung zu präzisieren.
Im Laufe der Gespräche stellte sich heraus, dass die Probleme beider Gemeinschaften sehr ähnlich sind. Für beide Gemeinschaften waren die Fragen der Bildung und der institutionellen Finanzierung der Organisationen beider Gemeinschaften von größter Bedeutung. Beide Gemeinschaften waren an der Schaffung von Dokumentationszentren für ihre Gemeinschaften interessiert. Es wurde auch über einen besseren Zugang zu den öffentlichen Medien gesprochen. Die Umsetzung dieser Forderungen ist auf halbem Wege stecken geblieben, nur ein Teil davon wurde realisiert.
Ein Erfolg ist zweifellos die Einrichtung des Dokumentations- und Ausstellungszentrums der Deutschen in Polen mit Sitz in Oppeln und des Zentrums für Dokumentation der Kultur und Geschichte der Polen in Bochum. Allerdings ist die Zukunft dieser Einrichtung in Nordrhein-Westfalen derzeit etwas ungewiss. Die Regierung in Warschau finanziert auch Forschungen zur Geschichte der deutschen Minderheit in Polen. Gemäß den Beschlüssen des Runden Tisches wurde das Büro für die Polonia in Berlin eingerichtet.
Beide Seiten sind mit der Bildungspolitik ihrer Länder unzufrieden. Im Falle der deutschen Minderheit ist die Sache einfacher, da diese Gemeinschaft in einem relativ kompakten Gebiet lebt. Daher ist hier ein regelmäßiger Deutschunterricht in den Schulen möglich. Dennoch hat die polnische Seite mit ihren diskriminierenden Praktiken gegenüber der deutschen Minderheit einen großen internationalen Skandal ausgelöst. Die negativen Folgen dieser Politik sind bis heute zu spüren.
In der Bundesrepublik sieht die Situation sogar noch schlechter aus. Zwei Faktoren sind dafür ausschlaggebend. Die Polonia ist über ganz Deutschland verstreut und mit wenigen Ausnahmen gibt es keine Möglichkeit, Polnischunterricht in den Schulen zu organisieren. Zumindest ist es sehr schwierig, eine Klasse zusammenzustellen, die an solchen Kursen teilnehmen möchte. Deshalb fordern polnische Organisationen die Finanzierung des Polnischunterrichts als Muttersprache im Rahmen von außerschulischen Aktivitäten. Dies wurde der polnischen Gemeinschaft im Vertrag garantiert. Ein weiteres Problem ist, dass für Bildung und Kultur die Landesregierungen zuständig sind, die sich mit der Förderung des polnischen Sprachunterrichts Zeit lassen. Sie behaupten, dass sie keine Unterzeichner der Verträge mit Polen sind und es sehr schwierig ist, sie zu Haushaltskorrekturen zu zwingen.
Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die deutsche Regierung in den letzten zwei Jahren die Initiative ergriffen hat, einen mit mehreren Millionen Euro dotierten Fonds zur Unterstützung des polnischen Schulwesens in Deutschland einzurichten. Kompetenzstreitigkeiten um Kokopol und ideologische Chimären führten zum Scheitern dieser Initiative. Und das polnische Schulwesen in Deutschland befindet sich weiterhin in einer schwierigen Lage.
Sowohl die Polonia als auch die deutsche Minderheit haben mit Problemen bei der institutionellen Finanzierung ihrer Strukturen zu kämpfen. Die polnische Regierung stellt für die Aktivitäten der deutschen Minderheit zu wenig Mittel zur Verfügung. Aber dieses Budget ist immer noch größer als die Mittel, die die Bundesregierung für diesen Zweck bereitstellt. In den Diskussionen über die Finanzierung der Polonia wird immer wieder die Erwartung geäußert, dass die Landesregierungen für die Kultur in Deutschland verantwortlich sind. Aber diese waschen sich in der Finanzierung der polnischen Gemeinschaft größtenteils die Hände, ähnlich wie im Bildungswesen.
Beide Gemeinschaften forderten 2011 eine Präsenz in den öffentlichen Medien. Auch hier ist die Situation der deutschen Minderheit unverhältnismäßig besser. Sie hat sowohl im öffentlichen Radio als auch im Fernsehen eigene Sendungen, die sie selbst redigiert und produziert. Von einer solchen Situation kann die Gemeinschaft der Polonia nur träumen. Natürlich gibt es Sendungen in der polnischer Sprache bei der Deutschen Welle oder beim Berliner RBB. Diese haben jedoch nichts mit der polnischen Gemeinschaft zu tun, und man kann hier nicht von polnischen Medien sprechen, die den von der deutschen Minderheit produziert und ausgestrahlten ähneln.
Unserios seitens des deutschen Minderheiten waren hingegen die Forderungen nach der Zuteilung von Radiofrequenzen, denn als der Nationale Rundfunk- und Fernsehrat einen Wettbewerb für einen deutschsprachigen Sender in der Oppelner Region ausschrieb, hat sich niemand dafür beworben.
Die Polonia in Deutschland stellt im Grunde keine neuen Forderungen, sondern möchte lediglich die Umsetzung und Konkretisierung der 2011 getroffenen Vereinbarungen. Deshalb fordert sie lautstark die Einberufung eines weiteren Runden Tisches.
Auf dem vor kurzem stattfindenden VdG-Jahresversammlung auf dem St. Annaberg wurde eine Resolution verabschiedet, in der die Fortsetzung der Rundentischgespräche in diesem Jahr gefordert wird. Aber auch in dieser Resolution kommen keine neuen wesentlichen Elemente vor. Ein Teil der Forderungen ist ebenso offensichtlich wie zweifellos notwendig. Sie betreffen die Erweiterung des Bildungsangebots im Bereich des Deutschunterrichts und eine bessere institutionelle Finanzierung der deutschen Minderheit.
Die Resolution enthält jedoch auch Forderungen, die nicht ganz verständlich sind. Der VdG erwartet vom Runden Tisch „die Ausarbeitung strategischer Lösungen für die dauerhafte Erhaltung der Identität und Kultur der deutschen Minderheit in Polen”. Als ob die Ausarbeitung dieses Konzepts nicht die grundlegendste Aufgabe des VdG wäre. Es sollte die Minderheitenorganisation sein, die aufzeigt, welche strategischen Projekte und Initiativen zur Erreichung dieses Ziels umgesetzt werden sollten. Der VdG fordert Unterstützung für die Medienarbeit der deutschen Minderheit und gibt gleichzeitig freiwillig (!) das seit 33 Jahren selbst produzierte Fernsehprogramm „Schlesien Journal” dem polnischen Fernsehsenders TVP ab.
Die einzige neue und übrigens sehr wichtige Forderung ist die Inventarisierung deutscher Friedhöfe, um sie zu kennzeichnen und zu sichern.
An dieser Stelle muss auf die verwerflichen Versuche hingewiesen werden, die die deutsche Minderheit als Druckmittel für die Politik eines anderen Staates zu missbrauchen. Leider gab es solche Praktiken in den letzten Jahren. In diesem Zusammenhang gewinnt die Forderung, dass beide Gemeinschaften, die deutsche Minderheit und die Polonia, gemeinsame Erwartungen an die Regierungen beider Staaten entwickeln, zusätzlich an Bedeutung. Wenn beide Gemeinschaften mit einer Stimme sprechen würden, würde eine solche Allianz allen zugutekommen. Es ist bedauerlich, dass es bisher auf beiden Seiten kein Interesse an solchen Maßnahmen gab.
Während der Diskussionen im Jahr 2011 wurde viel darüber gesprochen, dass beide Gemeinschaften eine Art Brücke zwischen Polen und Deutschland bilden sollten. Dass sie zum gegenseitigen Verständnis beitragen und Maßnahmen ergreifen sollten, um das Interesse an der Kultur und Wirtschaft des Nachbarlandes zu wecken. Letztendlich erwiesen sich diese Forderungen als leere Parolen. Es wurden nämlich keine konkreten Strategien entwickelt, die diesem Ziel dienen könnten. Vielleicht liegt das daran, dass beide Gemeinschaften mit existenziellen Problemen zu kämpfen haben und für solche Maßnahmen keine Kraft mehr übrig haben. Das ist schade, aber verständlich.
Die Resolution der VdG ist kein perfektes Werk, dennoch verdient Rafał Bartkowi Dank für seine Initiative und seine aktiven Bemühungen um die Wiederaufnahme der Arbeit des Runden Tisches.