Der hundertste Geburtstag von Heinz Piontek wurde in Kreuzburg nicht nur zum Anlass, an einen herausragenden Schriftsteller zu erinnern, sondern auch daran, dass große schlesische Literatur keine nationalen Grenzen kennt. Piontek trug – wie viele Künstler dieser Region – sein Leben lang dieselbe Sehnsucht nach der Landschaft seiner Kindheit in sich.

Die Feierlichkeiten zum hundertsten Geburtstag von Heinz Piontek, vorbereitet auf Initiative von Prof. Dr. habil. Alina Dittmann und der Deutschen Bildungsgesellschaft, fanden im Kino Bajka in Kreuzburg statt. Für viele der Anwesenden war es eine Entdeckung: In Pionteks Werk findet sich keine politische Nostalgie nach den nach dem Krieg verlorenen Gebieten, kein romantischer Mythos einer verlorenen Heimat. Stattdessen ist Oberschlesien auf selbstverständliche Weise präsent – als wäre es in den Rhythmus jeder einzelnen Zeile eingeschrieben. Seine Gedichte atmen diese Erde, als wären sie aus dem Duft ihrer Felder, dem Nebel über den Stober und dem Hufschlag der Pferde auf dem Pflaster von Kreuzburg entstanden.
Piontek – geboren im November 1925 in Kreuzburg – trug die Landschaft Oberschlesiens auch dann in sich, als sein Lebensweg ihn, wie Hunderttausende Bewohner der Region, durch Krieg, Nachkriegsmigration und den Wiederaufbau eines neuen Lebens in Bayern führte. Seine autobiografischen Romane Zeit meines Lebens und Stunde der Überlebenden sind Zeugnisse eines Menschen, der durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts gegangen ist, innerlich jedoch ein Mensch der schlesischen Provinz geblieben ist: verwurzelt und doch verdrängt, erinnernd, aber durch Grenzen und Systeme vom Paradies seiner Kindheit getrennt.
Seine Lyrik trägt eine deutlich existenzielle Prägung. Sie ist nicht pathetisch – im Gegenteil: Sie überrascht durch ihre Schlichtheit und Zärtlichkeit. In den Gedichten erscheinen Bäume, bäuerliche Höfe, Feldsteine, der Alltag der Provinz, die für Piontek der einzig wirkliche Bezugspunkt war. Diese Welt wird nicht idealisiert; sie ist die Welt der kindlichen Erinnerung – rau, intensiv, ausgestattet mit einem eigenen Rhythmus der Natur.
Jenseits der Teilungen. Piontek als schlesischer Autor – wie Eichendorff
Heutige Versuche, die Schriftsteller der Region strikt als „deutsch“ zu klassifizieren, widersprechen dem Wesen der schlesischen Kultur. Piontek ist – ebenso wie Eichendorff – ein Autor Schlesiens: jenes Teils Oberschlesiens, der die Mehrsprachigkeit, die Familiengeschichten und die Landschaft, in der Generationen aufgewachsen sind, niemals aus seinem Gedächtnis gelöscht hat.
In ihrem Werk ist die Nationalität zweitrangig. Im Vordergrund stehen Raum, Landschaft, Menschen und die Rituale des Alltags. Sie bilden eine schlesische Erinnerungsgemeinschaft, die über die heutigen staatlichen Grenzen hinausreicht.
Deshalb sollten die Motive von Sehnsucht und innerer Zerrissenheit in Pionteks Lyrik nicht als Ressentiment gelesen werden. Sie sind eine Erfahrung, die viele Bewohner der Region teilen. Piontek sehnte sich nicht nach einem Staat, sondern nach der Erde; nicht nach einer politischen Heimat, sondern nach der Welt seiner Kindheit, nach den Menschen und der Sprache, die seine Sensibilität geprägt haben.
Gerade deshalb sollten wir von ihm nicht als von einem „deutschen Dichter, der in Polen geboren wurde“ sprechen, sondern als von einem schlesischen Autor – einem Schriftsteller einer gemeinsamen Landschaft, die wir heute neu zu lesen lernen: ohne Ideologie, ohne Trennungen, mit Respekt vor den Menschen dieser Erde.
Wenn etwas Piontek am treffendsten beschreibt, dann ist es diese unvergängliche Nostalgie: nicht dramatisch, sondern leise, alltäglich, in den Rhythmus der Verse eingesickert. So sehnt sich, wer weiß, dass eine Rückkehr unmöglich ist, die Erinnerung jedoch unwiderruflich bleibt.
Kreuzburg erinnert an seinen Dichter
Das abendliche Treffen anlässlich seines hundertsten Geburtstags war eine schöne Verneigung der Stadt vor einem „Sohn, der in den Worten zurückgekehrt ist“. Die Beiträge von Dr. Rafał Biskup und Prof. Wojciech Kunicki rückten nicht nur die literarische Bedeutung Pionteks ins Licht, sondern stellten auch seine enge Verbindung zur Landschaft von Kreuzburg erneut heraus.
Den Höhepunkt der Veranstaltung bildete die Präsentation des zweisprachigen Bandes Mit der Feder, der sowohl Gedichte als auch Grafiken des Autors umfasst. Es ist eine besondere Geste – erstmals seit vielen Jahren sprach Piontek in der Stadt seiner Jugend wieder in beiden Sprachen ihrer Bewohner.
Prof. Alina Dittmann gebühren große Worte der Anerkennung für ihre Konsequenz und ihren Einsatz bei der Wiedergewinnung der Erinnerung an einen der wichtigsten oberschlesischen Dichter des 20. Jahrhunderts.