Die deutsche Identität im Wandel

35 Jahre der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen

Auf dem deutschen Fundament zeichnet sich in der Minderheit zunehmend eine neue, regionale Identität ab. Das Jubiläumsfest zum 35-jährigen Bestehen der SKGD der Woiwodschaft Schlesien wurde zu einem sichtbaren Beweis dieses Prozesses. Es fand im Kulturzentrum von Lubowitz statt und zog vor allem jene Generation an, die am stärksten unter der Polonisierungspolitik der Volksrepublik Polen gelitten hat.

Karolina Świerczek

Vor wenigen Tagen fand in Lubowitz ein Fest zum 35-jährigen Jubiläum der organisierten deutschen Minderheit in Schlesien statt. Auf der Bühne traten mehrere Musik- und Tanzgruppen auf, schwungvoll moderiert von dem bekannten Oppelner Duo Aneta und Norbert. Trotz der deutlichen Empfehlung des Vorsitzenden der SKGD, Martin Lippa, führten sie das Programm fast vollständig auf Schlesisch. Die deutschen Elemente wirkten eher wie ein Feigenblatt – als müssten sie rechtfertigen, dass es sich um eine Veranstaltung der deutschen Minderheit handelte. „Der Kontakt mit dem Publikum ist für uns das Wichtigste“, erklärte Aneta Lissy. „Deshalb halten wir uns nicht starr an ein Drehbuch, sondern reagieren darauf, wie sich die Menschen im Festzelt amüsieren.“

Tatsächlich bestand das Publikum überwiegend aus Menschen um die fünfzig oder sechzig – jener Generation, die am meisten unter dem Verbot des Deutschunterrichts und der deutschen Sprache in der Volksrepublik gelitten hat. Nur wenige von ihnen können sich heute noch frei auf Deutsch verständigen. Auch im Saal war kaum ein deutsches Wort zu hören. „Das Interesse an der deutschen Sprache in der autochthonen Gemeinschaft ist minimal“, stellte Teresa Kionczyk, die Leiterin des SKGD-Büros in Ratibor, nüchtern fest. „Ich sehe keine Motivation, dass diese Menschen Deutsch lernen wollen.“

Dieser Zustand steht in starkem Kontrast zum Beginn der Bewegung. Vor dreieinhalb Jahrzehnten, als im Schloss Eichendorff der erste Festtag mit Otto von Habsburg und Herbert Hupka gefeiert wurde, dominierte das Deutsche. Damals herrschten Begeisterung und echte Rührung darüber, dass man wieder in der Sprache der Eltern sprechen durfte. Das Publikum sang bereitwillig die bekannten deutschen Lieder mit.

Aneta und Norbert kündigten derweil nacheinander die Gruppen an, die auf der Bühne auftraten. Darunter waren die Tanzgruppen Lenschczok und Tworkauer Eiche, die in farbenfrohen, sorgfältig gearbeiteten schlesischen Trachten auftraten. Leider ließ das Niveau ihrer Darbietungen zu wünschen übrig – die Choreographien wirkten eher wie Proben oder spontane Tanzabende. Schön anzusehen war es zwar, aber von einem professionellen Auftritt konnte keine Rede sein. 

Trotz der künstlerischen Schwächen hatte der Abend dennoch seinen Star: Karolina Świerczek, eine siebzehnjährige Schülerin des Lyzeums in Ratibor, die das Publikum sowohl mit ihrem Geigenspiel als auch mit ihrem Gesang begeisterte. Karolinas Auftritte verbanden auf beeindruckende Weise Professionalität mit jugendlicher Frische und Spontaneität. Verwunderung löste ihr bayerisches Dirndl aus, das sie jedoch nach ihrem Auftritt verteidigte: „Ich habe mich bewusst für ein bayerisches Dirndl entschieden, weil meine Familie mit dieser Region verbunden ist und ich meine musikalischen Inspirationen von dort schöpfe. Aber es gibt noch einen weiteren, wichtigen Grund: In der allgemeinen Wahrnehmung gelten die schlesischen Trachten heute als Teil des polnischen Folklore. Diese Assoziationen wollte ich unbedingt vermeiden.“

Man muss Karolina recht geben – diese Assoziationen sind stark und kaum aus den Köpfen zu verdrängen. Es ist schwer vorstellbar, wie deutsche Gruppen heute das Recht zurückerlangen könnten, die schlesischen Trachten als Teil des deutschen Kulturerbes zu beanspruchen. Der Rückgriff auf bayerische Trachten ist allerdings auch keine Lösung.

Der Vorsitzende der SKGD der Woiwodschaft Schlesien, Martin Lippa, zeigte sich mit dem Fest sehr zufrieden: „Das Zelt ist bis auf den letzten Platz gefüllt, was zeigt, dass die Organisation nach wie vor attraktiv ist und Menschen anzieht. Die meisten sind in den letzten Jahren beigetreten – das ist ein Beweis für unsere Lebendigkeit und Anziehungskraft.“ Lippa betonte zudem einen weiteren wichtigen Aspekt: Die aktivsten Mitglieder der Organisation sind heute Menschen zwischen fünfzig und sechzig Jahren. Es spricht vieles dafür, dass gerade sie noch mindestens ein oder zwei Jahrzehnte das Gesicht der deutschen Minderheit prägen werden.

In Lubowitz konnte man klar erkennen, dass die deutsche Gemeinschaft an der Schwelle zu einem tiefgreifenden Wandel steht. Die Fünfzig- und Sechzigjährigen geben heute den Ton an. Sie haben zwar die Sprache verloren, aber nicht das Gefühl der Zugehörigkeit. Bewusst, unter deutschen Fahnen, formen sie eine neue, schlesische Identität, die sich aus dem historischen Erbe speist – eine Identität, die stärker regional geprägt und fest in der lokalen Kultur verwurzelt ist. Es ist ein Prozess, der sich nicht mehr aufhalten lässt: langsam, aber unumkehrbar. Das Fest in Lubowitz hat gezeigt, dass die Minderheit nicht verschwindet, sondern ihre Gestalt verändert – hin zu einem bewussten, deutschen Schlesiertum. Und wahrscheinlich wird gerade das die Stärke dieser Gemeinschaft in den kommenden Jahrzehnten sein.

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Peter Karger