10.11.2025

Wir haben eine Idee für eine Brücke

Beim Treffen in der Botschaft fehlten Vertreter der deutschen Minderheit

In der polnischen Botschaft in Berlin fand ein von Dr. Adrianna Tomczak, der Leiterin des Polonia-Büros, initiiertes Treffen. Die Diskussion über die neue Rolle der Polonia zeigte, dass Erfahrung, Mobilität und doppelte Identität zum Fundament einer neuen Brücke zwischen Polen und Deutschland werden könnten.

Bleiben oder zurückkehren? Das ist hier die Frage
Soll die Polonia in Deutschland nach Polen zurückkehren, um sich an dessen dynamischer Transformation zu beteiligen, oder eher vor Ort bleiben und Brücken zwischen den Gesellschaften bauen? Wie soll sie auf die in Polen anhaltende antideutsche Erzählung reagieren? 

Das sind Fragen, die auf unterschiedliche Weise während des Treffens „Made by Polonia“, das von Dr. Adrianna Tomczak in der Botschaft der Republik Polen in Berlin organisiert wurde, anklangen.

Das Treffen war von einem konstruktiven Geist geprägt. Es überwog die Überzeugung, dass die Polonia heute keine „Diaspora im Schwebezustand“ ist, sondern eine aktive Teilnehmerin der polnisch-deutschen Beziehungen – ein Partner, dessen wirtschaftliches und gesellschaftliches Potenzial noch immer nicht vollständig wahrgenommen wird.

Die Polonia – weiter verstanden als nur eine Emigrantengemeinschaft – ist in den letzten Jahren zu einer Gruppe von Menschen geworden, die beide Sprachen und die institutionellen Realitäten kennen. Dieses Wissen lässt sich nicht aus einem Diplomatie-Lehrbuch erwerben. Dank dessen können die Polinnen und Polen in Deutschland nicht nur Wirtschafts- und Wissenschaftskontakte vermitteln, sondern auch gegenseitiges Verständnis fördern und Vorurteile abbauen. In diesem Sinne ist die gleichzeitige mentale und berufliche Präsenz in beiden Ländern kein Problem mehr – sie wird zu einer Chance.

Frauen sind am wichtigsten
Einer der Themen, die besonders stark hervortrat, war die wachsende Rolle von Frauen im wirtschaftlichen Leben der Polonia. In vielen Fällen sind gerade sie die Führungspersönlichkeiten – sie organisieren, initiieren, vernetzen. Die Unternehmerinnentätigkeit der Polonia hat immer häufiger ein weibliches Gesicht, und die Erfolge von Unternehmen, die von Polinnen in Deutschland geführt werden, sind der beste Beweis dafür, dass Integration ein kreativer Prozess sein kann – und nicht nur ein Schutzschild gegen Assimilation.

Das Polonia-Büro hat neue Perspektiven eröffnet
Das Treffen in der Botschaft zeigte auch, dass das Polonia-Büro in Berlin – dank des Engagements seines Teams – dabei ist, aufzuhören, eine Einrichtung nur einer Stadt zu sein. Es wird zu einer bekannten Marke in ganz Deutschland: zu einem Ort, der verbindet, inspiriert und konkrete Lösungen anbietet. Diese Professionalisierung der Aktivitäten, sichtbar etwa in der hervorragenden Organisation der Konferenz, stärkt das Bild der Polonia als vertrauenswürdigen Partner – nicht nur für polnische, sondern auch für deutsche Institutionen.

In einem weiteren Sinne lässt sich das Treffen „Made by Polonia“ auch als Versuch lesen, auf ein sich verschärfendes Problem zu antworten – auf die negative, oft emotional aufgeladene Erzählung über Deutschland, die seit Jahren in Teilen der polnischen Medien und politischen Debatten wiederkehrt. Eine derart stereotype Darstellung des Nachbarn schwächt das gesellschaftliche Vertrauen, schreckt vor wirtschaftlicher Zusammenarbeit ab und verfestigt Distanz dort, wo Dialog nötig wäre. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz waren sich einig, dass die Arbeit an einer Veränderung dieser Erzählung – am gegenseitigen Bild – heute zu den wichtigsten Aufgaben gehört, die vor der Polonia stehen.

Die deutsche Minderheit sollte Partner sein
Vielleicht sollte der nächste Schritt darin bestehen, auch die deutsche Minderheit in Polen in diesen Dialog einzubeziehen. Ähnlich wie die Polonia in Deutschland lebt sie in einer Diaspora-Situation und erlebt die Folgen einer verfestigten antideutschen Erzählung. Ihre Vertreterinnen und Vertreter haben häufig eine doppelte, polnisch-deutsche Identität und sprechen dieselben beiden Sprachen. Diese gemeinsame Erfahrung – des „Dazwischen-Seins“ – kann zum Ausgangspunkt für einen realen Dialog und die Umsetzung gemeinsamer Ziele werden.

Eine Zusammenarbeit könnte der Beweis dafür sein, dass, wenn Verständigung auf gesellschaftlicher Ebene möglich ist, sie auch zu einem Vorbild für die Politik in einem weiteren Rahmen werden kann. Beide Milieus – die Polonia und die deutsche Minderheit – könnten als positives Beispiel für Verantwortung vorangehen, geleitet von gemeinsamen europäischen Werten.

Eine Brücke aus guten Erfahrungen
Das Treffen in der Botschaft hat gezeigt, dass die Polonia heute eine neue Aufgabe hat – auf allen Ebenen: kulturell, wirtschaftlich und im Bereich des Bildes nach außen – die Entstehung möglichst vieler persönlicher Beziehungen zwischen Polen und Deutschen in den beiden Ländern zu unterstützen. Denn sie, nicht politische Erklärungen, schaffen die dauerhaftesten Bindungen und bauen Vertrauen auf. Die Polonia sollte in diesem Prozess nicht nur Vermittlerin, sondern Gestalterin sein – ein Umfeld, das gegenseitig gute Erfahrungen initiiert und aus ihnen die tatsächlichen Fundamente einer polnisch-deutschen Brücke macht.

This is some text inside of a div block.
Sebastian Fikus