23.12.2023
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Selbstmordversuch oder Gleichgültigkeit?

Die Autochthonen brauchen den Deutschunterricht offenbar nicht

Das Erstaunlichste und Bemerkenswerteste an den letzten Parlamentswahlen ist die Tatsache, dass die oberschlesischen Autochthonen durchweg für die PiS gestimmt haben. Dies galt auch für Ortschaften, die von der deutschen Minderheit dominiert zu sein scheinen. Dies ist ein Schock, der die grundlegenden Vorstellungen über die deutsche Minderheit in Frage stellt.

Es steht außer Frage, dass die früheren Staatsorgane Polens so weit gegangen sind, dass sie einen Schritt unternommen haben, der im heutigen zivilisierten Europa inakzeptabel, vielleicht sogar verwerflich ist.

Ohne besondere Begründung ordneten sie die Beschränkung des Sprachunterrichts auf eine einzige nationale Minderheit an, nämlich die deutsche Bevölkerung. Dies war ein Akt offensichtlicher Diskriminierung, da keine andere nationale Minderheit in Polen von dieser Verordnung betroffen war. Dieser Schritt war nicht nur gegen die Interessen der Kinder gerichtet, sondern hatte auch schwerwiegende Folgen für die deutschen Lehrkräfte, die auf diese Weise ohne Arbeit dastanden. Der Vorgang fand nicht nur in Berlin, sondern auch in Brüssel einen großen Anklang. All dies erinnerte an die schlechte Tradition der Diskriminierung der deutschen Minderheit in der Woiwodschaft Schlesien in der Zwischenkriegszeit unter der Regierung von Grażyński.

Es scheint, dass eine solche Politik der Partei Recht und Gerechtigkeit für die Wähler der deutschen Minderheit einen absoluten casus belli darstellen würde. Sie würde eine noch nie dagewesene Mobilisierung der einheimischen Wählerschaft auslösen. Für jeden Beobachter der politischen Szene war klar, dass der Wahlausschuss der deutschen Minderheit dies hervorragend ausnutzen würde. Und in der Tat waren die Abneigung gegen Deutsche und die Anti-EU-Parolen der PiS-Partei das wichtigste Wahlargument des Wahlkomitees der deutschen Minderheit. In einer solchen Situation konnte man erwarten, dass die deutsche Minderheit bei den Wahlen spektakulär erfolgreich sein würde.

Das wäre jedoch nicht überraschend, denn eine ähnliche Situation hatte es schon einmal in der Zwischenkriegszeit gegeben. Als Michał Grażyński 1926 Woiwode wurde, begann er sofort eine Politik der Diskriminierung der deutschen Minderheit. Seine Leitmaßnahmen konzentrierten sich, wie auch heute noch, darauf, die Entwicklung des Bildungswesens für die deutsche Minderheit in der damaligen Woiwodschaft Schlesien systematisch zu behindern.

Die Ergebnisse dieser Politik ließen nicht lange auf sich warten. Bei den nächsten Wahlen zum schlesischen Sejm im Jahr 1929 erhielt die Deutsche Wohlgemeinschaft, eine Allianz deutscher Parteien, eine so starke demokratische Unterstützung, dass sie die stärkste Fraktion im Regionalparlament wurde. Ohne die Intrigen von Grażyński hätte die Deutsche Wohlgemeinschaft die absolute Mehrheit im schlesischen Sejm beinahe erreicht. Die Macht der deutschen Seite im schlesischen Sejm wurde so dominant, dass Grażyński die Kontrolle über das Parlament verlor. Er musste vom damaligen polnischen Präsidenten gerettet werden, der beschloss, das Regionalparlament für längere Zeit aufzulösen.

Jeder wachsame Beobachter der politischen Szene hätte ein ähnliches Ergebnis bei den Parlamentswahlen 2023 erwarten dürfen. Doch es geschah genau das Gegenteil. Nicht nur, dass die Wählerschaft der Minderheit es nicht schaffte, sich insbesondere zu mobilisieren. Schlimmer noch, ein erheblicher Teil der Minderheitengemeinschaft stimmte für ihre theoretischen Unterdrücker, d. h. für die PiS.

Man kann natürlich den Kopf schütteln über Verräter und Blockierer. Man kann natürlich weiterhin dazu aufrufen, die schwarzen Schafe aus dem eigenen Umfeld auszuschließen. Das wird aber wenig nützen, denn die nächste Wahl wird vermutlich zeigen, dass diese demokratische Unterstützung weiter abnimmt.

Die Unterstützung eines erheblichen Teils der einheimischen Wählerschaft für die PiS Partei bei den letzten Parlamentswahlen ist ein Phänomen, das viele Axiome erschüttert. Vorstellungen, die bis dahin unantastbar und grundlegend schienen.

Der wichtigste Schluss, den man aus diesem Phänomen ziehen kann, ist die Annahme, dass die Frage der deutschen Sprachkenntnisse und deren Vermittlung für die Autochthonen zweitrangig ist. Die Autochthonen sind nicht mehr besonders daran interessiert, dass ihre Kinder Deutsch lernen. Vielleicht liegt das auch daran, dass die Attraktivität, in Deutschland zu arbeiten, gesunken ist, denn auch in Schlesien lässt sich gutes Geld verdienen.

Und vielleicht fehlt ihnen vor allem die innerliche, ideologische Motivation, Deutsch als Muttersprache zu lernen. Ist es aber wirklich ihre Muttersprache?

Diese fehlende Motivation, Deutsch zu lernen, scheint weit verbreitet zu sein. Dabei ist zu beachten, dass selbst einige führende Köpfe der deutschen Minderheit in den 34 Jahren des Bestehens der organisierten deutschen Minderheit nicht gelernt haben, Deutsch zu sprechen. Das ist keineswegs eine bedeutungslose Angelegenheit.

Die Kenntnis der deutschen Sprache ist der Schlüssel zum Verständnis der Kultur der modernen Bundesrepublik. Ohne die Sprachkompetenz bleibt Deutschland für die Autochthonen wie hinter einer Milchglasscheibe. Wenn sich schon die Spitzenpolitiker nicht um diese Sprachkompetenz kümmern, was ist dann von den einfachen Mitgliedern zu erwarten.

Dieses Desinteresse an der Bundesrepublik scheint eine weitere Konsequenz der Wahl zu sein. Offensichtlich hat die Autochthonen die antideutsche Rhetorik der PiS Partei nicht gestört. Sie behandelten es als ein Thema, das sie überhaupt nicht betrifft.

Man kann sich daher nur schwer der Vermutung widersetzen, dass das Interesse an deutscher Kultur in diesem Umfeld einen Fassadencharakter hat und praktisch nicht vorhanden ist.

Das Gleiche gilt für die Sprache. Jeder, der hier lebt, weiß ganz genau, dass die Einheimischen täglich schlesisch sprechen. Von absoluten Ausnahmen abgesehen, spricht kaum eine autochthone Familie täglich Deutsch. Es genügt, zu den Sitzungen des DFK zu gehen und zu hören, welche Sprache dort gesprochen wird. Zugleich spielt die schlesische Sprache für diese Gemeinschaft eine wichtige Rolle als eine Art soziologische Grenze, die sie von den zugewanderten Bevölkerungsgruppen trennt.

Diese Verbundenheit mit der schlesischen Sprache ist nichts Neues oder Merkwürdiges. Die Überzeugung, dass die Sprache nicht das wichtigste Paradigma des Nationalgefühls sei, machte das deutsche Plebiszit Kommissariat schon zur Zeit der Volksabstimmung zu einem Eckpfeiler seiner Strategie. Sein Leiter, Hans Lukaschek, zog auch die Konsequenzen aus dieser Überzeugung und ließ die Volksabstimmungszeitungen auf Polnisch drucken. Dies geschah in der Überzeugung, dass er nur auf diese Weise einen wichtigen Teil der Autochthonen erreichen konnte. Jene Wählerschaft, die Hans Lukaschek als die seine betrachtete und auf die er zählte. Eine autochthone Wählerschaft, die später mit überwältigender Mehrheit für den Verbleib ganz Oberschlesiens bei Preußen gestimmt hatte.

Es wäre also absurd, die preußischen Wurzeln und die preußischen Sehnsüchte der autochthonen Gemeinschaft in Frage zu stellen, die ja vor allem die schlesische Sprache spricht.

Die erste praktische Schlussfolgerung aus den Wahlerfahrungen ist daher die Ablehnung der fälschlichen These, Deutsch sei die Sprache der deutschen Minderheit. Denn sie ist es nicht.

Man kann die deutsche Sprache nicht dämonisieren und die einheimische Bevölkerung teilen. Und zwar auf die Bessergestellten, die Deutsch sprechen, und die Schlechter gestellten, die es nicht tun. Das ist einfach unwürdig.

Unabhängig davon ist dies unsinnig, da es einen erheblichen Teil der einheimischen Wählerschaft verprellt.

Das entkräftet natürlich nicht die Forderung, dass Deutsch überall und so viel wie möglich unterrichtet werden sollte. Dass der Deutschunterricht, der den einheimischen Kindern in den Schulen entzogen wurde, unbedingt wieder eingeführt werden muss. Aber das sind zwei völlig verschiedene Themen. Deutsch ist das Tor zum modernen Europa und zur preußischen Geschichte. Für viele Autochthone wird es die Grundlage ihres Arbeitslebens werden, was ebenfalls wichtig und wertvoll ist.

Zweites Postulat. Die gegenwärtige kulturelle und politische Realität der Bundesrepublik ist für die meisten Vertreter der Autochthonen uninteressant und unwichtig.

Was für die Menschen essentiell erscheint, sind Bezüge zu ihrer eigenen regionalen, preußischen Geschichte. Es wirkt, als seien die Autochthonen vor allem daran interessiert, was ihre Vorfahren im 19. Jahrhundert gemacht haben, wie sie gelebt haben, wie sie aussahen, und wo sie lebten.

Deshalb sollte sich die Minderheitenorganisation auf die Pflege von kleinen und großen Denkmälern konzentrieren. Sie sollte damit anfangen, der Betreuung der alten Friedhöfe besondere Bedeutung zuzuordnen. Sie sollte sich auf die Organisation von Ausstellungen zur Geschichte der Region konzentrieren, aber auch ein eigenes, modernes Kulturleben mit deutlich deutschen Elementen fördern. Dabei sollte es sich aber um Produktionen einheimischer Künstler handeln, nicht um importierte Projekte.

Die Organisation sollte sich bemühen, große, ehrgeizige Kulturprojekte zu schaffen, deren Träger Vertreter der ethnischen Gemeinschaft sind. Projekte schaffen, mit denen sich die Vertreter der Autochthonen identifizieren können.

Entscheidend bei diesen Projekten sollte sein, dass die Künstler "unsere Leute" sind, und nicht, dass die Projekte unbedingt auf Deutsch sein müssen. Das war wohl der größte Fehler der Kulturpolitik der deutschen Minderheit. Denn er führt zu der Vorstellung, dass der Import von Künstlern aus der Bundesrepublik alles regelt. Das tut es nicht, und es führt zu einer Verschwendung von Ressourcen, die dringend benötigt werden, um unser eigenes kulturelles Leben zu gestalten.

Möge diese Wahl endlich zu einem völlig neuen Denken über das Umfeld der deutschen Minderheiten und zu einem tiefgreifenden Wandel in der Kulturpolitik des VdG führen.

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