Der bedeutendste Theaterregisseur Polens ist ein Schlesier: Krystian Lupa

In der Unterhaltungskultur gibt es die Neigung zu schockieren und fertige Antworten zu geben. Krystian Lupa versucht jedoch, das Gegenteil zu tun. Ausgehend von scheinbar offensichtlichen Wahrheiten, sät er Zweifel. Er glaubt, ständig von Träumen beeinflusst zu sein. Nur wenige wissen, dass dieser bedeutendste Theaterregisseur Polens in Schlesien aufgewachsen ist. Inspirationen aus der deutschen Kultur und Literatur wurden zur Grundlage seiner einzigartigen Inszenierungen.

Krystian Lupa wurde in Bad Königsdorff-Jastrzemb in Oberschlesien geboren. Sein Vater war sehr streng, und der künftige Regisseur hatte immer Respekt vor ihm. Jahre später erinnerte er sich, wie er stets in sein Zimmer kam und auf Deutsch monologisierte. Die hervorragenden Sprachkenntnisse hat Krystian Lupa also aus dem Elternhaus. Schon in jungen Jahren begann er, seine Lieblingsdichter im Original zu lesen. Die Faszination für die deutsche Literatur war und ist eine der wichtigsten Inspirationen für sein Werk. Lupa ist zweifellos auch der wichtigste Reklameträger deutschsprachiger Literatur auf polnischen Bühnen geworden.

Hier in Schlesien begann Krystian Lupa, sein erstes Theater aufzubauen. Er versuchte, originelle, fantastische Geschichten zu inszenieren. Er bat auch seine Freunde aus der Nachbarschaft, mit ihm zu spielen. Gemeinsam schufen sie aktionsreiche Stücke.

Als Krystian Lupa das Gymnasium besuchte, wurde ihm klar, dass er nicht in die Welt der Fantasie flüchten kann. Er glaubte damals, Theaterspielen sei eine Tätigkeit, die eher für Kinder geeignet sei als für einen fast erwachsenen Mann. Trotzdem erfand er immer gerne neue Geschichten, die er allerdings niemandem mehr erzählte.

Er war fasziniert von den Naturwissenschaften und begann an der Fakultät für Physik der Jagiellonen-Universität in Krakau zu studieren. Die Sehnsucht nach der Kunst jedoch ließ ihn nicht los. Schließlich wechselte er an die Jan-Matejko-Akademie der Bildenden Künste in Krakau. Nach dem Abschluss im Fach Grafikdesign setzte er sein Studium an der Leon-Schiller-Hochschule für Film, Fernsehen und Theater in Łódź und an der Staatlichen Hochschule für Theater Ludwik Solski in Krakau fort.

Seine Abschlussaufführung, "Nadobnisie i koczodany" nach einem Drama von Stanisław Ignacy Witkiewicz, war eine wahre Offenbarung - und auch der Durchbruch zu einer großartigen Theaterkariere: Von diesem Zeitpunkt an war Lupa im polnischen Theater zu einem gefragten Mann geworden.  Die Intendanten rissen sich um ihn.

Krystian Lupa ist der Meinung, dass das Theater zum Nachdenken anregen und eine tiefe Erfahrung vermitteln soll. Deshalb sind seine Leistungen bis ins Detail ausgefeilt. Immer wieder treibt er Intendanten zur Verzweiflung, weil er den Termin einer Premiere verschiebt, und zwar so lange, bis er die Inszenierung für gelungen hält. Manchmal entwirft er das Bühnenbild alleine. Er sucht auch selbst die passende Musik aus, die die Rezeption des Werkes bereichert.

In seinen Produktionen fällt auf, dass Krystian Lupa sich auf zwischenmenschliche Beziehungen konzentriert und auf der Psyche der Figuren eingeht. Der Arbeit mit Schauspielern widmet er viel Zeit und Engagement. Persönlich wählt er diejenigen aus, mit denen er arbeiten will. Es gibt sogar den Begriff "Lupas Schauspieler" für diejenigen, die in seinen Produktionen mitspielen.

Als Regisseur bereitete er schon viele Stücke in vielen Theatern vor. Besonders verbunden ist er natürlich mit dem künstlerischen Umfeld Krakaus. Ebenso arbeitete er auch in Hirschberg und Breslau.  Doch darüber hinaus hat er fast überall auf der Welt hat Theaterstücke inszeniert - von den USA über Russland bis nach Japan. Für seine künstlerischen Leistungen hat er zahlreiche Auszeichnungen erhalten.

Krystian Lupa gilt als der bedeutendste polnische Theaterregisseur. Auf der Weltbühne hat seit den Zeiten von Jerzy Grotowski kein Regisseur aus Polen mehr Anerkennung und Ruhm erlangt als er. Neben Erzbischof Nossol ist er zweifellos der bedeutendste zeitgenössische Schlesier. Es ist sehr bedauerlich, dass diese Tatsache im allgemeinen Bewusstsein nicht vorhanden ist. Wahrscheinlich trägt Lupa dazu selbst bei: Aus der Perspektive von New York oder Tokio redet er zu selten über seine Oberschlesische Herkunft. Schade.

‍