10.10.2025
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Angehaltene Tafeln

Der Bürgermeister von Groß Peterwitz stoppt den Beschluss, den er selbst umsetzen sollte

In der Gemeinde Rudnik stehen die ersten zweisprachigen Ortsschilder bereits – in Lubowitz. In den übrigen Orten laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Anders in den benachbarten Groß Peterwitz: Trotz eines gültigen Gemeindebeschlusses und der Zustimmung des Ministeriums gibt es dort bis heute keine Tafeln. Bürgermeister Adam Wajda hält die Entscheidung zurück. Eine ungewöhnliche Situation – zum ersten Mal ist es nicht die Regierung, sondern die Selbstverwaltung, die die Umsetzung des eigenen Beschlusses blockiert.

Das Recht ist klar – die Umsetzung nicht

Das Gesetz über nationale und ethnische Minderheiten aus dem Jahr 2005 ermöglicht die Einführung zusätzlicher Ortsnamen dort, wo eine Minderheit mindestens 20 Prozent der Bevölkerung stellt. Nach Erfüllung dieser Bedingung und Zustimmung des Innenministers darf die Gemeinde zweisprachige Ortstafeln aufstellen.

In Schlesien gibt es Hunderte solcher Orte, im Oppelner Schlesien fast dreißig. In Deutschland oder Österreich ist das Alltag, in Belgien und Litauen Teil der Identitätspolitik. Auf Korsika hingegen hat die Regionalsprache Vorrang vor dem Französischen.

Der Gemeinderat von Groß Peterwitz beschloss bereits 2016 die Einführung zweisprachiger Ortsnamen. Für viele Einwohner – besonders für die autochthone Bevölkerung – war das eine symbolische, lang erwartete Entscheidung.

„Diese Tafeln würden mir das Gefühl geben, wirklich zu Hause zu sein, auf meinem eigenen Land. Dass Groß Peterwitz eine Enklave unserer Kultur ist – sichtbar für jeden, der hierherkommt“, sagt Wolfgang Chrobok, Vorsitzender des örtlichen DFK-Kreises.

Ein unerwarteter Kurswechsel

Jahrelang verhinderten aufeinanderfolgende, minderheitenkritische Regierungen in Warschau die Umsetzung des Beschlusses. Nach den Wahlen 2023 änderte sich die Situation: Das Innenministerium erteilte die Genehmigung und ermutigte die Gemeinde sogar, den Prozess zu beginnen. Und gerade in diesem Moment kam die überraschende Wende.

Die Entscheidung über die Aufstellung der Tafeln blieb auf dem Schreibtisch von Bürgermeister Adam Wajda liegen. In der von ihm autorisierten Stellungnahme vermeidet Wajda nicht nur klare Zusagen, sondern distanziert sich faktisch von dem Beschluss, den er gesetzlich umzusetzen hat.

„Solche Maßnahmen sollten erst nach einer Diskussion mit den Einwohnern und nach gesellschaftlichen Konsultationen umgesetzt werden. Reife Demokratie bedeutet Mut, über wichtige lokale Themen offen zu sprechen“, schrieb er in seiner autorisierten Antwort an die Redaktion.

Klingt gut – doch hinter den Allgemeinplätzen verbirgt sich faktisch die Blockade. Noch vor kurzem erklärte der Bürgermeister, die Tafeln würden 2026 aufgestellt. Heute nennt er keinen Termin mehr.

Enttäuschung und Politik

Waldemar Świerczek, Mitglied des Vorstandes der SKGD, zeigt sich überrascht:

„Der Beschluss gilt, das Ministerium hat zugestimmt – also sollte der Bürgermeister handeln. In Groß Peterwitz wird die Entscheidung jedoch torpediert. Schlechter Wille? Eher Politik.“

Ähnlich sieht es der örtliche Historiker Bruno Stojer. Seiner Ansicht nach lebte die autochthone Bevölkerung über sechshundert Jahre im deutschen Kulturkreis und unterscheidet sich dadurch deutlich von den Zugezogenen.

„Wir wohnen hier seit Jahrhunderten länger – und das sollte man respektieren“, sagt er.

Für die alteingesessene Bevölkerung ist das ein Schlag gegen das Vertrauen in die Selbstverwaltung. Nach Jahren der Blockaden durch die Zentralregierung hofften viele, dass die Sache nun – bei günstigem politischen Klima – endlich zu Ende geführt würde. Stattdessen kehrt Unsicherheit zurück.

„Es ist enttäuschend. Wir fühlen uns, als ob man uns wieder einen Schritt zurückdrängt. Wir haben alles gesetzeskonform gemacht, und der Bürgermeister sucht Ausreden“, sagt Świerczek.

Zwischen Angst und Verantwortung

Auf der anderen Seite gibt es auch Stimmen der Sorge. Ein Sohn von Nachkriegssiedlern aus Groß Peterwitz gesteht:

„Wenn ich diese zweisprachigen Namen sehe, fühle ich mich ein wenig verdrängt. Mein Vater sagte immer, das hier sei seine Heimat. Jetzt habe ich das Gefühl, jemand wolle sie ihm wegnehmen.“

Diese Emotionen zeigen, wie sensibel Fragen von Erinnerung und Identität in dieser Region geblieben sind. Doch gerade deshalb braucht es Verantwortungsbewusstsein – nicht Ausflüchte.

Bürgermeister Wajda beruft sich auf die Notwendigkeit einer „gesellschaftlichen Diskussion“. Doch in der Nachbargemeinde Rudnik hat eine solche Diskussion bereits stattgefunden – ohne den Prozess zu stoppen. In Lubowitz stehen die Tafeln, in weiteren Dörfern werden sie gerade montiert.

In Groß Peterwitz dagegen wird der angebliche Dialog zum Vorwand für Untätigkeit. Diese Geschichte offenbart ein tieferes Problem: Eine Selbstverwaltung, die einst als Stütze der Demokratie galt, führt ihre eigenen Beschlüsse nicht aus – und rechtfertigt das mit „gesellschaftlichen Prozessen“.

In Groß Peterwitz steht das Recht auf der Seite des Beschlusses, die Geschichte auf der Seite des Gedächtnisses – und die Einwohner auf der Seite der Hoffnung, dass diesmal jemand sein Wort hält. Ein Wort, das 2016 gegeben wurde und bis heute auf seine Erfüllung wartet.

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peter karger