13.4.2024

St. Annaberg.

Das neue Jerusalem

Für die Oberschlesier ist der St. Annaberg die Mitte des Universums. Hier haben sie Jahrhunderte lang gebetet und das eigene Schicksal vor Gott beklagt. Der Berg wurde auch zum Symbol des Beharrens auf der eignen Identität. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Tradition des Berges, zum Teil mit dem westeuropäischen Orden der Templer verbunden ist.

Die Templer hat die heilige Hedwig aus Jerusalem nach Schlesien geholt und in Klein Öls angesiedelt. Sie haben mehrere Ortschaften gegründet und bewirtschaftet. Der Reichtum der Templer war legendär. In dem Jahr 1312 wurde der Orden in Europa abgeschafft. Im selben Jahr wanderten die Templer aus Klein Öls ab. Ein Teil von ihnen lebte weiter in verschiedenen Orten als Feudalherren, andere haben sich anderen Orden angeschlossen. Was mit den Reichtümern der Templer passiert ist, weiß keiner.

Ausgerechnet im selben Jahr 1312 tauchte in Oberschlesien ein Feudalherr namens von Strahl auf, der mehrere Ortschaften in den heutigen Kreisen Krappitz und Groß Strehlitz kaufte. Später wurden diese Ortschaften mit der Tradition der Templer verbunden. Der Templerberg in Oberwitz ist der bekannteste von ihnen. Der Wappen dieser Familie erinnert zweifellos an das Kreuz der Tempelritter. Die Familie von Strahl kaufte den Annaberg und baute dort ganz oben eine Kapelle, die dem heiligen Georg gewidmet wurde. Der heilige Georg war ein Patron der Tempelritter und wurde oft in einem Zusammenhang mit der Tradition dieses Ordens gebracht. Die Hypothese, dass von Strahl ein flüchtiger Templer war, ist höchstwahrscheinlich. 

Einige Jahrhunderte später stiftete Graf Melchior von Gaschin, dessen Mutter eine von Strahl war, auf dem Annaberg ein Kloster der Franziskaner. Auf ausdrücklichen Wünsch bauten die Erben einen Komplex von 30 Kapellen und drei Kirchen auf dem Annaberg. Dies war ein Versuch, ein Modell von Jerusalem zu bauen. Die Franziskaner, ganz in der Tradition der Tempelritter, sollten sich um die Pilger kümmern. Zu dieser Zeit kam aus ungeklärten Umständen eine sehr wertvolle Reliquie aus Jerusalem, dem Hauptsitz der Templer, zum Annaberg. Man kann vermuten, dass sie von der Familie von Stahl seit 1312 aufgehoben wurde. 

Nach der Übernahme Oberschlesiens durch Preußen wurden viele Anstrengungen in Berlin unternommen, um die religiöse Ausrichtung dieses Landes zu ändern. Sogar das Franziskaner- Kloster wurde 1810 säkularisiert. Es hat nicht viel gebracht, da in den folgenden Jahrzehnten Hunderttausende Oberschlesier nach St. Annaberg pilgerten. Der Ort wurde zu einem Symbol des Beharrens auf der eigenen kulturellen Identität. Sollte sich die Hypothese bestätigen, dass das Sanktuarium auf dem Annaberg bewusst im Sinne der Templer aufgebaut wurde, würde dies dem Land Oberschlesien eine ganz neue, europäische Perspektive geben. 

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