13.4.2024

Das goldene Zeitalter des Egoismus. Oberschlesien während der habsburgischen Herrschaft

In der Ära der Habsburger war der Kaiser theoretisch das OberhauptSchlesiens. Aber in der Praxis war seine Macht sehr illusorisch, denn er hattekein Machtinstrument. Der Monarch hatte das Recht, den Starost desFürstentums (Landeshauptmann), der ein Schreiber mit Haftbefugnissen war,abzubauen. Diese Nominierung hatte jedoch eine Reihe vonEinschränkungen.

In der Ära der Habsburger war der Kaiser theoretisch das OberhauptSchlesiens. Aber in der Praxis war seine Macht sehr illusorisch, denn er hattekein Machtinstrument. Der Monarch hatte das Recht, den Starost desFürstentums (Landeshauptmann), der ein Schreiber mit Haftbefugnissen war,abzubauen. Diese Nominierung hatte jedoch eine Reihe vonEinschränkungen. Der Starost musste ein Vertreter der lokalen Aristokratiesein und von der Staatsversammlung akzeptiert werden. Er legte seinen Eidsowohl gegenüber der lokalen Aristokratie als auch gegenüber der Monarchieab. So wurde dieses Amt mehr zu einer Art Vertreter oder Botschafter desschlesischen Adels am kaiserlichen Hof als zu einem Vollstrecker seinerAutorität. Der Starost beschränkte die Macht des Monarchen mehr, als er sierepräsentierte.

Die oberschlesischen Herzöge besaßen eine Reihe von Privilegien undRechten, wodurch sie fast vollständige Souveränität erlangten. Das Recht, vonden Staaten des Fürstentums Huldigungen zu erhalten, war von großerBedeutung, was ihnen die formelle Souveränität über die Bevölkerung verlieh.Sie hatten das Recht, Fürstentümer wie ihr eigenes, privates Erbe zubehandeln. Sie konnten souverän über ihr Erbe verfügen und waren frei,dynastische Bande zu knüpfen. Sie hatten die Aufsicht über die kirchlichenInstitutionen. Sie hatten die Münzprägung, die Justiz und die Jagdbehörde.Diese weitreichenden Rechte gaben ihnen die Exklusivität der Regierung. Siebetrachteten sich selbst als souverän und schienen ihren aristokratischenVerwandten in Böhmen, die nicht einmal über so weitreichende Rechteverfügten, überlegen zu sein. Es ist aber auch bitter wahr, dass sie diese Macht nicht im Interesse desLandes, auf dem sie lebten, sondern zum persönlichen Vorteil genutzt haben.Die Situation der oberschlesischen Bauern ist ein Beweis dafür. Wenn diepersönlichen Freiheiten und das Recht auf Geld- und Warenbewirtschaftungdas Privileg der Nachkommen der Kolonisten aus der Zeit von Henry Beardedund St. Hedwig waren, dann sind heute viele von ihnen in ihren Rechten mitihren slawischen Nachbarn gleichgestellt. Nun befanden sich die meistenBauern in einem Raum absoluter Gesetzlosigkeit, und der Feudalherr konnteüber sie wie über private Gegenstände verfügen. Offensichtlich muss diesihre Produktivität beeinträchtigt und zu einer tiefen Rückständigkeit geführthaben. Dieser Zustand der wirtschaftlichen Unterentwicklung sollte sich hierbis ins späte 18. Die oberschlesischen Feudalisten nutzten die gutewirtschaftliche Lage nicht zur Förderung der Stadtentwicklung. InOberschlesien lebten noch weit über 90% der Bevölkerung von derLandwirtschaft. Auch die lokale, allmächtige Aristokratie regte keinebesonderen Modernisierungsprozesse an. Zu dieser Zeit entstanden hierkeine intellektuellen Strömungen, es traten keine prominentenPersönlichkeiten auf

In Oberschlesien hat sich ein weiterer Trend, der bereits im Mittelalter zubeobachten war, ebenfalls verstärkt. Die Kolonisten brachten vielezivilisatorische Errungenschaften mit, die zu einem Impuls fürModernisierungsprozesse wurden. Gleichzeitig übernahmen sie aber auchden slawischen Dialekt ihrer Nachbarn für immer. Der erste oberschlesischeHistoriker Barthel Stein behauptete 1512, die Sprachgrenze sei die Oder. Rechts des Flusses sollte der schlesische Dialekt unteilbar dominieren, derauch von der schlesischen Aristokratie gesprochen werden sollte. Es gab die Meinung, dass Frauen sie häuger nutzen, weil sie mehr an ihren Haushaltgebunden sind. Männer, die sich mehr am öffentlichen Leben beteiligten,sollten viel öfter Deutsch sprechen. Mit der Zeit nannte man das Treiben auf Deutsch Wasserpolnisch (polnischeWassersprache). Der Ursprung dieses Begriffs ist nicht vollständig geklärt,aber man geht davon aus, dass er aus Breslau stammt. Hier schwammenFlößer den Oderbaum aus Oberschlesien und verkauften ihn auf dem Markt.Es war leicht zu hören, dass sich ihre Sprache deutlich von der der Händleraus Kleinpolen unterschied, die z.B. Salz in Wrocław verkauften. Um diesebeiden Sprachen zu unterscheiden, wurde der Dialekt daher Wasserpolnischgenannt. Also die Sprache, die auf dem Fluss verwendet wurde. Der Dialektnahm immer mehr Formen der Regionalsprache an.

Die durch die Reformation verursachten ideologischen Transformationenbeeinussten auch den ideologischen Horizont der schlesischen Aristokratie.Dies war die Zeit der systematischen Annäherung an die deutschsprachigenHöfe Europas und des Aufbaus kultureller Verbindungen mit diesem Teil der Weltern Hohenzollern, Wettin und Wirtembergstammten. Die Entscheidung, zu heiraten, basierte in erster Linie aufdynastischen Interessen, zukünftigen Verbindungen oder sogar Aussichtenauf eine Erbschaft. Bei diesen Spekulationen spielten die Gefühle oderAnsichten der zukünftigen Ehepartner keine Rolle. Deshalb bewiesen Ehenmit königlichen Familien die sehr hohe Stellung der aristokratischenSchlesier. Diese internationalen Verbindungen beeinussten auch die Entwicklung derHofkultur nach westlichem Vorbild. Eine große Zahl von Bediensteten undHöingen war hier beschäftigt. Aber auch die Adelspaläste stärkten ihrePosition als Zentren des kulturellen Lebens. Dort waren Architekten, Maler,Musiker, Dichter, Historiker und Ärzte untergebracht. Ein Beweis für die Pracht des Hoebens jener Zeit waren reiche RenaissancePaläste. Sie wurden an vielen Orten in Oberschlesien geschaffen. Die meistenvon ihnen wurden in den folgenden Jahrhunderten wieder aufgebaut undverloren dadurch ihren schönen Renaissance-Charakter. Das am bestenerhaltene Objekt aus dieser Zeit scheint der Palast in Deutsch Neukirch zu sein.

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