1.1.2020
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Die Mauer sind nicht Zeitgemäß

Der Kommentar

Als die deutsche Minderheitenorganisation vor dreißig Jahren gegründet wurde, wiederholten ihre damaligen Führer wie ein Mantra, dass sie als Brücke in den deutsch-polnischen Beziehungen dienen würde. Dieses Postulat blieb in den nächsten Jahren ein leeres Wort, denn in der Tat hat niemand auch nur definiert, wie eine solche Brücke aussehen würde.

Sebastian Fikus
Foto: Natalia Klimaschka

Es ist schwer zu verstehen, warum für die Vertreter der deutschen Minderheit jemand, der zuvor ein aktives Mitglied der Organisation (Sozial-Kulturelle Gesellschaft der Deutschen in Oppelner Schlesien, SKGD) war und nach Deutschland ging, nicht mehr als Mitglied der Organisation verstanden wird. Natürlich nicht formell, aber aus der Sicht der Funktionseliten gilt er als eine verlorene Seele. Umso mehr, wenn er sich in einer polnischen Organisation eingeschrieben hätte. Aber die Autochthonen, die nach Deutschland ausgewandert sind, empfinden die Verbundenheit mit der polnischen Kultur oft stärker als diejenigen, die in Oberschlesien geblieben sind. Ich verstehe auch nicht, warum jemand, der seine deutschen Wurzeln empfindet, aber in Königshütte lebt und mit schlesischen Organisationen verbunden ist, ähnlich mit großer Vorsicht wahrgenommen wird. Es besteht eine Distanz zwischen den Kreisen der Vertriebenen in Deutschland und den mit Polonia verbundenen Autochthonen.

Autochthone sind seit jeher von verschiedenen Kulturen beeinflusst worden. Die schlesische, deutsche oder polnische Komponente ihrer Identität liegen auf der Hand, und es ist unsinnig, irgend eine von ihnen in Frage zu stellen. Meiner Meinung nach, stellen die Autochthonen mit einer klar definierten nationalen Option, nicht die Mehrheit ihres Umfelds dar. Vielmehr könnte man versucht zu sagen, dass die Fluidität der Bedeutung dieser Einflüsse ihr charakteristisches Merkmal war und ist. Häufig werden die nationalen Bekenntnisse der Autochthonen von beruflichen oder gesellschaftlichen Motiven beeinflusst.

Die Veränderungen, die nach 1989 stattgefunden haben, vertieften diese ideologische Hilflosigkeit nur noch. Die formale Möglichkeit der Rückkehr der Autochthonen aus Deutschland nach Schlesien und die Aktivitäten der Vertriebenenverbende in Polen ließen ihre früheren Forderungen jeglichen Sinn verlieren. Auch die Beteiligung der SKGD an den aufeinander folgenden Regionalregierungen in Oppeln schuf eine völlig neue Situation. Hier wären nicht nur die Freiheiten der Deutschen in keiner Weise bedroht, sondern üben sie selbst sogar Macht in der Region aus.

Die schlesischen Verbände in Kattowitz hingegen definieren ihre Identität durch den Verweise auf die preußische Geschichte Oberschlesiens. Und sie tun es in so radikalere Art und Weise, die es bei der SKGD unvorstellbar wäre. Und die Deutschkenntnisse der Eliten der schlesischen Verbänden definitiv besser sind, als die der Elite der deutschen Minderheit.

In diesem Zusammenhang ist es noch absurder, dass die Funktionseliten der SKGD bei internen Kontakten, fast ausschließlich mit den schlesischen Dialekt sich bedienen. Und sie sind nicht in der Lage überzeugend zu definieren, aus welchen ideologischen Komponenten die deutsche Identität in Schlesien besteht. Sie kennen auch nicht sagen, wozu die Organisation überhaupt steht.

All dies nimmt sogar groteske Züge an. Schließlich kann es nicht der Zweck der Organisation der deutschen Minderheit sein, Posten für einige Personen zu erkämpfen. Und so ein Eindruck kann man heute in Oppeln gewinnen. Schlimmer noch, um die Wahlen zu gewinnen, versucht man vor allem die Aktivitäten an die breite Masse der potenziellen Wählern zu richten. Das hat unter anderen dazu geführt, dass es für die autochthonische Intelligenz in Oberschlesien peinlich ist, sich mit der Organisation zu identifizieren. Problemtisch ist es auch das fundamentalistische Beharren an der Behauptung, alle Autochthone Deutsche seien. Und das auch stimmt nicht.

Mit einem ähnlichen Problem sehen sich die Vertriebenenorganisationen in Deutschland konfrontiert. Die Mehrheit der Bundesdeutschen hat seit den Siebzigern Jahren mit dem Verlust der Ostgebiete abgefunden und die Forderungen nach Verschiebungen der Grenzen als grotesk empfunden. Das Beharren an dieser Forderung hat die Vertriebenen an den Rand der Gesellschaft gebracht. Dadurch wurde die schlesische Kultur zu etwas peinlichen, mit dem sich kaum jemand in Deutschland identifizieren möchte.

Durch die Politisierung der Aktivitäten der Vertriebenenorganisationen wurden die schlesischen Traditionen schon vor 1989 fast vollständig aus dem deutschen öffentlichen Bewusstsein entfernt. Auf diese Weise haben die Vertriebenenorganisationen den Autochthonen die Möglichkeiten genommen, die alte Traditionen in Deutschland beizubehalten. Durch die unsinnige politische Forderungen haben die Autochthonen die Chance verloren, ihre Identität auch auf der Grundlage von aus Schlesien mitgebrachten Elementen zu gestalten.

Somit hat fundamentalistische Politik der Vertriebenen den Aussiedlern die Tore zu polnischen Organisationen weit geöffnet. Für die Beteiligung an den politischen Organisationen Polonia muss sich inzwischen in Deutschland keine schämen. In Schlesien sind die Organisationen der deutschen Minderheit auf den gleichen, direkten Weg in den politischen Abgrund.

Zu den größten Problemen der deutschen Minderheit in Polen zählt immer noch die alte Tendenz, ihre Identität negativ zu definieren. Man versucht, sie damit zu beschreiben, wenn man sagt, wer wir nicht sind und wer wir nicht sein wollen. Die Abneigung gegen das Polentum war lange Zeit die einzige integrierende Kraft dieser Gemeinschaft. Solche Weltanschauung ähnelt jedoch einer Ideologie, von der wir alle wissen, dass sie beschämend ist und deren Einfluss spätestens im Frühjahr 1945 enden sollte. Auf solchen Fundamenten kann nichts Ernstes aufgebaut werden.

Kein Wunder, dass diese Ansichten im Laufe der Zeit zur Ursache der Schwäche der deutschen Minderheitenorganisation geworden sind. Denn gerade jungen Menschen ist es schwer zu erklären, warum sie ihre Identität auf der Abneigung gegen Menschen aufbauen sollen, die sie mögen, schätzen und als ihre Partner betrachten.

Diese Abschottungsstrategie setzt sich in den internen Strukturen von Minderheitenorganisationen fort. Ihre Eliten distanzieren sich von Menschen, die ihnen aus verschiedenen Gründen unbequem erscheinen. Eigentlich musste man von ihnen erwarten, dass sie mit Meinungspluralismus umgehen können.

Selbst die Aufgaben der Organisation sind nicht klar. Obwohl sie eine politische Schlüsselrolle in der Region Oppeln spielt, spielt sie im kulturellen Leben der Region eine ähnliche Rolle, wie der Verband der Taubenzüchter. Häufig werden kulturelle Initiativen für die deutsche Minderheit von Vertretern der polnischen Mehrheit realisiert.

So erstaunlich es klingt, aber heute müssten die wertvollsten kulturellen Initiativen der Autochthonen in den Aktivitäten der polnischen Gemeinden in Deutschland gesucht werden. Also Milieus, die keine politische Tätigkeit ausüben.

All dies schafft einen tiefen Bedarf an der Klärung, was die vier Gruppen der Autochthonen verbindet. Es ist sicherlich die Landschaft, aus der alle kommen. Es ist die komplizierte Geschichte der Region. Die Autochthonen haben eine gemeinsame, historische und emotionale Sensibilität. Sie wuchsen mit ähnlichen Legenden und Märchen auf, ihre Kindheit war von ähnlichen Ängsten, oder Vorurteilen begleitet. Eine gemeinsame Erfahrung war der Schock der Fronterfahrung im Frühjahr 1945. Er ist ein wichtiger Gründungsmythos für die Autochthonen.

Diese Erinnerungen sollten jedoch von den nationalen Assoziationen frei gehalten werden. Sie schaffen Barrieren für Initiativen, um ein gemeinsames, positives Bild der Autochthonen zu schaffen. Man braucht eine große, wertvolle Initiative, die den Beginn der Entwicklung einer positiven Wahrnehmung der Autochthonen in der polnischen und deutschen Öffentlichkeit markiert.

Die wichtigste gemeinsame Aufgabe der Autochthonen sollten konsequente und koordinierte Bemühungen um das Vertrauen in den deutsch-polnischen Beziehungen sein. Die Mehrheit der Polen und Deutschen haben inzwischen viele Stereotypen abgebaut. Deutsche werden nicht mehr mit Misstrauen oder Abneigung betrachtet. Doch bei aller Bewunderung für die enormen Fortschritte bei der Neutralisierung gegenseitiger Vorurteile, bleibt noch viel zu tun. Und das sollte die wichtigste, gemeinsame Aufgabe der Autochthonen sein.

Das deutsch-polnische Vertrauen hat für sie auch eine pragmatische Dimension. Nur auf dem Fundament freundschaftlicher Beziehungen werden wir in der Lage sein, wertvolle kulturelle Initiativen zu schaffen, mit denen sich Autochthonen identifizieren können.

Das wurde die Autochthonen in die Lage versetzen, auf dem Fundament der schlesischen Wurzeln und Traditionen neue Identität zu kristallisieren und sie zu modernisieren. Und das ohne das Misstrauen von beiden Seiten zu wecken.

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Prof. Dr. habil. Sebastian Fikus