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Die deutsche Minderheit war erfolgreich

nterview mit dem Minister und Ersten Stellvertretenden des Botschafters der Bundesrepublik Deutschland in Warschau, Knut Abraham.

Interview mit dem Bevollmächtigten Minister und ErstenStellvertretenden Botschafter der Bundesrepublik Deutschlandin Warschau. Knut Abraham begleitet die indigene Gemeinschaftseit vielen Jahren. Im Interview spricht er über seine erstenKontakte mit dieser Gemeinschaft, über die Notwendigkeit derUnterstützung nationaler Minderheiten in Europa, über dieRezeption der deutschen Widerstandsbewegung und über dieAussichten, in Opole ein Denkmal für den unbekanntenWehrmachtsdeserteur zu errichten.

Knut Abraham

Interview mit dem Bevollmächtigten Minister und ErstenStellvertretenden Botschafter der Bundesrepublik Deutschlandin Warschau. Knut Abraham begleitet die indigene Gemeinschaftseit vielen Jahren. Im Interview spricht er über seine erstenKontakte mit dieser Gemeinschaft, über die Notwendigkeit derUnterstützung nationaler Minderheiten in Europa, über dieRezeption der deutschen Widerstandsbewegung und über dieAussichten, in Opole ein Denkmal für den unbekanntenWehrmachtsdeserteur zu errichten.Herr Gesandter, Sie sind hier in Warschau ein später Nachfolgervon Rudolf von Scheliha. Keiner der deutschenWiderstandskämpfer hat so enge Kontakte mit dem polnischenUntergrund unterhalten, wie er. Keiner setzte sich für die Belangeder polnischen Freunde so stark und efzient ein wie er. Trotzdembleibt Scheliha dem breiten Publikum in Polen unbekannt. Wie istdas möglich?Dies ist nicht nur in Polen der Fall. Auch in Deutschland ist seineFigur wenig bekannt. Am häugsten haben Sie von Stauffenbergund Moltke gehört. Andere Kämpfer des deutschen Widerstandsoder ihre Ziele bleiben allzu oft unbekannt. In den letzten Jahrenhabe ich mich mehr für dieses Thema interessiert, aber selbst ichweiß zu wenig darüber.Ach wissen Sie, das ist nicht nur in Polen so. Sein Widerstand istauch in Deutschland wenig bekannt. Man hat meistens vonStauffenberg und Moltke gehört, die anderenWiderstandskämpfer und ihre Ziele bleiben zu oft unbekannt. Inden letzten Jahren spüre ich mehr Sensibilität für dieses Themaaber es ist immer noch viel zu wenig. In Polen ist das besondersschwierig über den Widerstand zu sprechen. Seine Geschichtewird oft als Versuch gesehen, die deutschen Verbrechen zurelativieren. Das ist ungerecht den Widerstandskämpferngegenüber, weil diese Menschen wirklich ihr Leben aufs Spielsetzten und tatsächlich viele von ihnen ermordet wurden. Rudolfvon Scheliha ist hierfür ein gutes Beispiel. Er wurde durch dieGestapo der Widerstandgruppe Rote Kapelle zugeschrieben, derer wahrscheinlich nie angehörte. Die Rote Kapelle hat nach 1945als sowjetischer Agentenring gegolten. Scheliha aber war einHeld, der vielen Polen efzient geholfen hat. Spontan kommt mirdie Idee, dass man eine Ausstellung über ihn machen und ihn soeinem breiten Publikum in Polen präsentieren könnte. SeinPorträt hängt hier in der Botschaft übrigens in der Nähe meinesBüros und des Büros des Botschafters.

Rudolf von Scheliha kam aus Zessel in der Nähe von Oppeln. In denzwanziger Jahren war von Scheliha deutscher Vizekonsul inKattowitz. Heute gehört Schlesien zwar zu Polen, aber vieleDeutsche sind dennoch geblieben. Seit der Wende erhob diedeutsche Minderheit den Anspruch, als eine Art Brückenfunktionzwischen beiden Staaten zu fungieren. Ist das eine leere Forderung,oder kann die deutsche Minderheit tatsachlich diese Rolleausfüllen. Wie kann eine solche Brückenfunktion überhauptfunktionieren?Ich bin fest davon überzeugt, dass die deutsche Minderheit in derVergangenheit eine sehr wichtige Rolle spielte und weiter spielt,und ich hoffe, dass das auch so bleibt. Es liegt an derEinzigartigkeit Schlesiens mit ihren deutsch-polnischenEigenheiten. Die Oberschlesier bilden eine lebendigeGesellschaft. Dank ihnen ist das deutsche, kulturelle Erbe inOberschlesien nicht in einem Museum erstarrt, sondern ist einelebendige Realität. Die Organisation der Minderheit spielt für dieMenschen eine wichtige kulturelle und emotionale Rolle. Während der Wende waren Sie als Mitarbeiter des Bundestagesschon in Polen aktiv. Wie hat die Bundesregierung damals auf dieEntstehung der deutschen Minderheit reagiert? Hat man das alsChance oder eine Bedrohung für die deutsch-polnischenBeziehungen gesehen?Man war überrascht, wie viele Menschen sich in einer freienGesellschaft plötzlich zum Deutschtum bekannten. Für uns wares etwas ganz Neues, dass zu der Messe in Kreisau plötzlich soviele Menschen kamen. Erst dann haben wir verstanden, wiedringend neue politische und rechtliche Rahmen hier notwendigwaren; und dann kam der Nachbarschaftsvertrag.Nein, Angst hatte man nicht. Die ganze Bewegung verlief enormfriedlich. Es war auch ein großer, persönlicher Verdienst vonErzbischof Alfons Nossol, der in der Lage war, diese Menschenpositiv zu beeinussen. Bedrohung war die deutsche Minderheitnie.

Sie waren auch einer der ersten deutschen hohen Repräsentanten,die Schlesien in diesen bewegten Monaten besuchten. Wie habenSie persönlich die deutsche Minderheit damals erlebt?Die Glücksgefühle der Oberschlesier 1989 sind auf michübergesprungen. Die Menschen waren damals voller Hoffnungund fühlten sich frei, mussten ihre Identität nicht mehrverstecken oder sich deswegen schämen. Die Entwicklung hatHoffnungen auf einen europäischen Weg Polens geweckt.Damals war das noch gar nicht so sicher. Gut kann ich mich an dieTränen und Freude erinnern. Ich denke oft an die Lieder, die siedamals gesungen haben. Es war für mich so rührend underfüllend. Als Fremder konnte ich das gut nachempnden. Dieneue Situation hat bei mir vor allem Neugier auf die schlesischeKultur und Geschichte geweckt. Früher hat man sich dafür nichtviel interessiert und als der Schleier des Kommunismus plötzlichweg war, tauchte eine bunte und sehr interessante Landschaftvon verschieden Kulturen auf. Auf einmal war die GeschichteMittel- und Osteuropas ein großes Thema.Und wie sieht das aus Ihrer Sicht heute aus? Schließlich hat dieBundesregierung die Organisationen der deutschen Minderheitmit vielen Millionen Euro über die Jahrzehnte hinweg unterstützt.Wurden diese Mittel efzient eingesetzt?Erst einmal kann ich das bestätigen. Die Bundesregierung hatsehr entschlossen die Minderheit unterstützt. Es war richtig unddiese Hilfe hatte herausragende Bedeutung. Dank dieser Hilfe isteine lebendige Gesellschaft entstanden, die sich kulturellentfaltet und die Menschen emotional bindet.Man wollte, dass die Menschen in Schlesien bleiben und nichtauswandern. Das ist gelungen, die Situation der Minderheit hatsich stabilisiert. Die Deutschen in Oberschlesien fühlen sich hiersicher, heimisch und wohl. Sie betrachten ihre Situation mitGelassenheit und sehen hier ihre Zukunft. Deswegen wandernsie nicht aus, mache kommen zurück. Ich höre immer wiederGeschichten von Kindern, die in Deutschland geboren sind undhier in die Schule gehen. Nach der Wende sind zum Beispiel vieleHandwerker aus Oberschlesien ausgewandert. Sie konnten sichin der Bundesrepublik gut behaupten, da sie deutsche Sprachebeherrschten und die Arbeitskultur kannten. Manche von ihnenbauten eigne Betriebe auf und wurden später in Oberschlesienerneut tätig. Es sind nicht viele, aber immerhin einige.Ich würde mich über eine Diskussion zu neuen Projekten derMinderheit im Bereich Jugend, Sprache und Kultur freuen. Hiersind wir sehr offen. Es ändert natürlich nicht meine Überzeugung,dass die deutsche Minderheit insgesamt betrachtet eineErfolgsgeschichte ist.

Wir leben in einem gemeinsamen Europa. Es wächst ein Gebilde, indem künftig alle Völker zu einer Minderheit gehören. Dienationalen Bindungen verlieren immer mehr an Bedeutung. Hat esin dieser neuen Situation überhaupt noch Sinn von Minderheitenzu sprechen? Oder anders. Muss man die nationalen Minderheitenimmer noch auf eine besondere Art und Weise unterstützen?Deswegen spreche ich lieber von Volksgruppen und nicht vonMinderheiten. Natürlich muss man sie unterstützen und zwar ausvielen Gründen. Die kulturelle Vielfalt ist in Europa ein großerReichtum. In jeder Region bildet die bunte Vielfalt eineBesonderheit und Qualität in sich. Wie schrecklich wäre es, wennes nur eine Sorte von Blumen gäbe. Mit den Kulturen ist esgenauso.Aber die Lage der Minderheiten ist nicht immer einfach undmeistens haben sie einen schweren Stand. DieMehrheitsbevölkerung dominiert meist das kulturelle Leben. Sokönnen sich die Schwächeren sich nicht so einfach entfalten. Dasist überall so. Die Sorben bei uns sind auch in solch einerSituation. Da muss man nachhelfen, um die Chancenauszugleichen.Sie hat aber auch eine viel tiefere Dimension. In einer sich raschentwickelnden Welt brauchen die Menschen mehr denn jeideologische Unterstützung. Starke Wurzeln sind wichtig für dieinnere Sicherheit und Orientierung in der Welt. Natürlich ändernsich Identitäten im Laufe der Zeit, aber traditionelle Werte sindeine Art Grundlage für die weitere Entwicklung. Nur auf einemsoliden Fundament können neue, stabile Bezugspunkteentstehen.Daher ist es so wichtig, das Bestehen der Kulturen zu bewahrenund die eigenständige Entwicklung abzusichern. Dafür brauchtman Garantien von sprachlichen, kulturellen und politischenRechten. Gegenüber der deutschen Minderheit in Schlesienhaben wir eine besondere Verpichtung. Sie ist zu einerMinderheit durch eine politische Entwicklung geworden, die sienicht allein verschuldet hat. Daher helfen wir und wollen auchweiter helfen.

Vor wenigen Monaten ist der ehemalige Sejm Abgeordnete undführendes Mitglied der deutschen Minderheit, Bruno Kosak,gestorben. Über viele Jahre hinweg setzte er sich dafür ein, einDenkmal der unbekannten Deserteure der Wehrmacht zuerrichten. Er schätzte die deutschen Soldaten, die den Mut hatten,dem Hitler-Regime den Rücken zu zeigen. Genauso wie Rudolf vonScheliha. Hat es Sinn das Projekt weiter zu verfolgen und solch einDenkmal in Oppeln zu initiieren?Das muss die Bevölkerung in Oppeln entscheiden. Desertation istein sehr schwieriges Thema. Von einigen wird sie als „Widerstanddes kleinen Mannes“ gesehen, denn einfache Soldaten, die mitdem NS Regime nicht einverstanden waren, hatten ja keineInstrumente sich dem III. Reich zu widersetzen. Einige habendaher das Fortlaufen aus der Wehrmacht gewählt. Es ist abereine ganz schwierige Frage.

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